Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
vom Dach versuchten, mit dem Niederschlag Schritt zu halten, und luden die Fracht im Wassergraben ab, ehe das Lagerhausdach unter der Last desRegens einstürzte. Jeb trat zu Kris, während sie ins schlammige Wasser des Grabens starrte.
»Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?«
»Wie viel Vulkanasche enthielt der Regen anfänglich?«
»Eine ganze Menge.«
»Denken Sie, dass man von der anfänglichen Asche noch etwas in diesem Graben findet?«
»Würde mich gar nicht überraschen. Möchten Sie ein Souvenir?«
»Sollte eins haben. Könnte man eine hübsche Vase oder Keramik mit anfertigen. Sie wissen schon.«
Jeb musterte sie einen Augenblick lang und machte dann einen Jungen von nicht mehr als zwölf Jahren auf sich aufmerksam. »Die Dame hier möchte etwas Asche von unserem Vulkan. Macht es dir etwas aus, ein wenig schmutzig zu werden?«
Der Junge sah aus, als hätte man ihn gefragt, ob er in den Himmel wollte. Ruckzuck stand er bis zu den Knien im Wasser und grub mit Hilfe des Kaffeebechers etwas von der tiefsten Stelle des Kanals.
»War es das, was Sie wollten, Ma’am?«, fragte er und präsentierte Kris den randvoll mit Schlamm gefüllten Becher so stolz, wie nur irgendjemand, der auf Freiersfüßen wandelte, seinem Mädchen einen Diamantring reichen mochte.
»Ganz gewiss«, sagte Kris und drehte den Deckel wieder auf den Becher. Sie brachte eine Dollarmünze aus ihrer Tasche zum Vorschein. »Für dich. Danke.«
»Meine Mami würde das nie erlauben«, sagte der Junge, senkte den Kopf und fasste die Münze nicht an. »Sie geben uns zu essen. Sie verhaut mich, wenn ich die Münze annehme.«
Kris holte eine zweite Münze hervor. »Die ist für deine Mutter, weil sie so einen guten Jungen großgezogen hat. Nimm jetzt beide und lauf los.«
Der Junge schien nicht überzeugt, aber als Jeb ihm zunickte,half das weiter. Er schnappte sich beide Münzen und rannte zum Tor, wobei er auf ganzer Strecke eine Spur Schlammwasser hinter sich her zog. »Das Mindeste, was ich tun konnte, nachdem ich ihn dazu gebracht habe, seine Sachen so dreckig zu machen«, gluckste Kris.
»Und weil er der Laune einer Frau entgegenkam, die so verrückt sein muss wie gleich zwei beliebige Wasserhühner auf diesem Wasserplaneten«, sagte Jeb.
Kris blickte auf den Kaffeebecher in ihrer Hand, wischte etwas vom Schlamm ab und wandte sich wieder ihrem Büro zu. »Wir werden schon sehen, wer hier verrückt ist«, murmelte sie.
Zwei Abende später folgte Kris Colonel Hancock in die Offiziersmesse des Vierten Highland-Bataillons der LornaDo-Planetengarde. Ihre Einladung ging nicht nur darauf zurück, wer Kris war, sondern auch auf das, was Kris und Tom in den zurückliegenden achtundvierzig Stunden für das Bataillon getan hatten. Mit Hilfe der Freunde Kris’ unter den örtlichen Handwerkern hatte man ein heruntergekommenes, verlassenes Restaurant mit Salon in eine blitzblanke Offiziersmesse und einen Offiziersclub im vollen und traditionellen Wortsinn verwandelt. Dick gepolsterte Sessel standen in geschmackvollen, zur Konversation einladenden Gruppen im Raum verstreut. An den Wänden erblickte man Fotos der früheren Bataillonskommandeure, von Offiziersgruppen und auch von den siegreichen Fußballmannschaften des Bataillons. Mit einem Landungsboot waren tatsächlich sogar sorgsam verpackte Ölgemälde etlicher Schlachtenszenen aus der Ehrenrolle der Einheit eingetroffen. Die ganze Einrichtung war schön geheizt, mit Teppichen ausgelegt und verbreitete den Geruch frischer Farbe. Kris konnte kaum glauben, dass dies als die ihr noch bekannte verlassene Rumpelkammer begonnen hatte. Oder auch, dass ein solcher Ort im Schimmel und Sumpf existieren konnte, inden sich Olympia verwandelt hatte. Die Bücher, die Kris als Kind gelesen hatte, wussten zu vermelden, dass ein Stück England nach Indien transplantiert worden war. Sie hatte sich gefragt, wie das möglich war. Wardhaven war nicht die Erde, und es war stolz darauf. Jetzt erkannte sie wie – und warum – ein Bataillon vielleicht LornaDo oder gar England nach Olympia transplantierte.
Eine neue Wand mit doppelflügeliger Glastür trennte den Club von Speisesaal und Bar. Trotzdem hielt sich ein junger Soldat in voller blauer Galauniform mit Kilt neben Colonel Halverson für Bestellungen bereit, als dieser Colonel Hancock empfing.
Commander Owing, Hancocks Stellvertreter, saß hier bereits in einer Ecke, tief in der üppigen Polsterung versunken, hielt einen Scotch in der Hand und führte
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