Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
entdeckte sie gleich ein halbes Dutzend. Keinerlei Fußspuren jedoch. Das war es, wonach sie vom Orbit aus gesucht hatte: Fußspuren in der weichen Tundra. Die Minen waren wohl aus einem Hubschrauber heraus abgelegt worden. Erneut Ausgaben. Wer zahlte die Zeche hierfür?
Kris spürte das dringende Bedürfnis nach einer Dusche, nach Kaffee und jemandem, mit dem sie über das hätte reden können, was in den zurückliegenden Stunden auf sie eingestürzt war. Hier zeichneten sich Schemata ab; Schemata jedoch, die sie nicht recht überblickte.
Eddy fehlte es nicht an Schemata, die zu durchschauen waren. Eddy fehlte es an einer Rettung.
Kris konzentrierte sich auf ihr unmittelbares Problem. Gebückt und auf halbem Weg durch ein Minenfeld von 300 Metern entdeckte sie eine ganz neue Bedeutung für die Wendung,nackt und verwundbar zu sein. Sie achtete darauf, wohin sie die Füße setzte. Sie hielt über die Spähdrohne nach Aktivität im Haus Ausschau. Sie behielt die schlafenden Posten im Hinblick auf jegliche mögliche Regung im Auge. Gelegentlich dachte sie daran, auch zu atmen.
Der Atmosphäreneintritt hatte sich angefühlt, als dauerte er ein Jahr. Kris alterte um Jahrhunderte, während sie die Tundra vor der Jagdhütte überquerte. Als sie schließlich kurz davor waren, gab sie Gunny mit einem Wink zu verstehen, dass er seine Gruppe auf die Rückseite führen sollte. Der vordere Eingang gehörte ihr; er ermöglichte ihr den direkten Zugang zur Treppe und dem bewaffneten Banditen an deren oberem Ende. Kris hätte das verängstigte Kind am liebsten schon vor zehn Minuten mit ihrer Körperpanzerung abgeschirmt. Was immer in dem Haus geschah, sobald Kris das Kind in ihrer Obhut hatte: Es konnte dann nur noch durch ihre Leiche hindurch zu Schaden kommen.
Zehn Meter vor der Hütte verließ Kris das Glück. Eines der Dornröschen rappelte sich auf, um zur Toilette zu gehen. Auf seinem gemütlichen Gang spazierte der Mann am einzigen Aussichtsfenster der Hütte vorbei.
»Marines, wir haben Aktivität im Haus«, flüsterte Kris in ihr Mikro, als der Typ vor dem Fenster stehen blieb, um sich zu kratzen.
»Wir starten die Vorstellung auf mein Kommando. Gunny, Sie räumen hinten auf und befrieden das Untergeschoss. Meine Gruppe kümmert sich um die Vorderseite und das Obergeschoss.« Sie wartete auf Fragen – da riss der Gangster am Fenster die Waffe hoch und ballerte vollautomatisch auf die Marines. »Feuerunterstützung, schalten Sie diesen Typ am Fenster aus! Corporal Li, schnappen Sie sich den schlafenden Posten auf der vorderen Veranda, ehe er aufwacht. Hanson, sprengen Sie uns ein Loch auf.«
»Bin schon dabei«, flüsterte Hanson, stopfte eine Reihenladung in seinen Granatwerfer und zielte auf den Vordereingang.
Hinter Kris wurde die Soldatin von Corporal Li mehrfach voll in die Brust getroffen. Die Wucht warf sie gute anderthalb Meter rückwärts. Sie landete auf einer Mine und erhielt zusätzliche Flugzeit.
»Vorsicht, es kracht!«, rief Hanson. Kris warf sich lang zu Boden, während der Granatwerfer ihres Techs mit einem Rauschen feuerte. Eine Sprengladung zielte direkt auf die Haustür, während die Sekundärladungen auf der Schussbahn zurückblieben. Die Tür flog nach innen; dann detonierten die Sekundärladungen dahinter wie herabfallende Weihnachtsbaumkerzen. Die meisten knallten einfach nur; drei zündeten Minen. Kris wartete gerade lange genug, bis alle Detonationen vorbei waren, und stürmte dann zur Tür. Sie traf ein, ehe die Tür ganz Zeit gefunden hatte, wieder auf dem Boden zu landen.
Kris bemühte sich, das Gleichgewicht zu behalten, während sie ins Wohnzimmer stürmte. Vor ihr ragte die Treppe auf. Den Bewaffneten am oberen Treppenabsatz konnte sie nicht sehen. Rechts von ihr brach ein Mann unter einem Kugelhagel zusammen, der vom Vorhof hereinprasselte, während sich ein zweiter Mann vom Sofa wälzte und dabei die Schusswaffe hob.
Kris wollte den Bewaffneten im Obergeschoss erwischen und nicht diesen Mann. Wenn man Marine war, genoss man den Vorteil, dass immer ein anderer da war, der einem den Rücken freihielt. Ohne also auf den Schützen vom Sofa zu achten, raste Kris zur Treppe, die Waffe im Anschlag. Dabei wechselte sie zum Magazin mit den Schlafpfeilen. Eddy, ich bin da!
Auf halbem Weg die Treppe hinauf kam der schlafende Mann in ihr Blickfeld. Das Getöse weckte ihn gerade. Er riss die Augen weit auf, als er ihr Gewehr direkt auf sich gerichtet sah. Seine Hände fuhren hoch.
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