Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
Sobald das Mädchen endlich frei war, drehte es sich um, schlang sich um Kris, presste das Gesicht gegen den harten Gefechtspanzer und überließ sich tiefen, heftigen Schluchzern. Ensign Longknife hielt es fest, schützte es und mischte ein paar eigene Tränen hinein. Tränen eines Ensigns der Raumflotte, der das Kind eines Fremden gerettet hatte. Tränen einer Zehnjährigen, die einen Bruder nicht hatte retten können.
Über Kris hielten drei Marines Wache, die Waffen in der Hand, ein stolzes Grinsen im Gesicht.
»Gut gemacht!«, jubelte Corporal Li.
»Gut gemacht«, stieß Hanson ins selbe Horn.
»Allmächtiger Gott, allmächtiger Gott«, wiederholte die Schützin.
»Haus gesichert«, meldete Gunny übers Netz. »Tech bestätigt: keine Totmannschaltung. Ein Finsterling tot. Fünf gefesselt und tief schlafend. Ein paar dieser Schlafpfeile sind aus sehr kurzer Distanz abgefeuert worden. Einige dieser Typen könnten medizinische Hilfe vertragen.«
Kris schniefte und schaffte es dann aufzustehen, ohne dass das Kind einen Quadratzentimeter Körperkontakt verlor. »Sehr gut, Gunny.«
Sie öffnete mit einem Augenblinzeln ihren Kommlink ins komplette örtliche Netz. »Hier spricht Ensign Longknife. Die Geisel ist in Sicherheit. Wiederhole: Das Kind ist unverletzt. Fünf Übeltäter in Gewahrsam, einige verletzt. Ersuche um medizinische Notversorgung. Warnung: Das Gelände rings um die Zielposition ist vermint! Landen Sie nicht, ehe wir die Minen entschärft haben.« Kris erhielt Bestätigungsmeldungen von einem halben Dutzend Polizeinetzen und der Taifun.
Kris blickte in gerötete Augen hinab, die zu ihr aufsahen. Sie drückte das Mädchen fest. Du hattest Unrecht, Mutter. Die Navy ist keine Zeitvergeudung. Manche Tage sind mehr wert, als irgendjemand je bezahlen könnte.
4
I n einer Spielsimulation hätte Kris jetzt die Taste für »Game over« gedrückt und wäre in eine Pizzeria gegangen. In der wirklichen Welt war es nicht vorbei, solange es nicht vorbei war, und diese Sache war bei weitem nicht vorbei.
Das Mädchen, das so leicht und zerbrechlich in Kris’ Armen lag, nuschelte »Edith«, als es nach seinem Namen gefragt wurde. Richtig, der Name war im Laufe der Einsatzvorbesprechungen gefallen, aber er ähnelte »Eddy« zu sehr, als dass Kris es gewagt hätte, ihn sich einzuprägen. Edith klammerte sich dermaßen an Kris, dass man glatt den Eindruck gewinnen konnte, dass sich beide ein einziges Herz teilten. Derzeit hätte Kris das auch nicht abgestritten. Ein Schütze warf sich den Gangster aus dem Obergeschoss über die Schulter. Corporal Li und Hanson hielten sich eng an Kris und Edith, während sie die Treppe hinuntergingen. Niemand wollte das Mädchen jetzt noch durch irgendeine Überraschung verlieren. Der Soldat packte seinen Schläfer im Wohnzimmer neben die beiden anderen. Alle waren blutig, wo die Pfeile sie getroffen hatten, und bei zweien lief das Blut ungehemmt weiter. Einer zitterte, er stand erkennbar unter Schock. Zwei wache Gefangene hockten mit auf den Rücken gefesselten Händen auf dem Sofa. Eine Blutlache vor ihnen verriet die Stelle, wo die Leiche gelegen hatte, die inzwischen hinters Haus gebracht worden war.
»Wer führt hier das Kommando?«, wollte Kris wissen.
Die beiden Gefangenen, die bei Bewusstsein waren, blickten sich im Zimmer um, als sähen sie es zum ersten Mal. »Martin«, brummte einer. Der andere wies auf den zitternden Schläfer.Gunny nahm diesem eine Brieftasche ab und öffnete sie. Martin besaß einen Führerschein und eine Sozial- ID von der Erde. Der Erde! Was suchte ein Gauner von der Erde hier draußen? Die Lage war wirklich mehr als seltsam.
Kris hatte jedoch drängendere Probleme. »Leute«, wandte sie sich an die Gefangenen, »da draußen liegen Landminen verteilt. Ich möchte, dass sie abgeschaltet werden. Wer hat den Schlüssel?« Sie starrten sie jedoch nur verständnislos an.
»Besorgt mir ihre IDs. Ich möchte wissen, mit wem wir es zu tun haben. Specialist, können Sie unsere Dornröschen wecken?«
Hanson ging zu den ausgestreckten Gestalten hinüber, gab jedem eine Spritze und wiegte den Ersten dann mit dem Fuß, wobei er ihm das Gewehr ins Gesicht hielt. »Wach auf, Alter. Du findest dich in einer Welt der Schmerzen wieder.« Hanson lächelte fröhlich auf ihn hinab. Sein Patient wurde hustend wach, öffnete die Augen, sah die Gewehrmündung und tat sein Bestes, um sich zur Seite zu wälzen. Damit stieß er jedoch nur an den Rücken des
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