Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
sie zugeben, dass er darum gebeten hatte , nicht in diese Sache verwickelt zu werden. »Was genau interessiert dich an der Art und Weise, wie mein Vater Dinge erledigt?«
Tommy zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Er hängt so knöchern am Buchstaben der Gesetze. Ich meine: Wenn ich meiner Familie berichten würde, dass mich jemand umbringen wollte, würde man mich nicht danach fragen, ob ich Beweise hätte, die vor Gericht standhielten.«
»Mein Vater schon«, stellte Kris gelassen fest.
»Dann würde dich dein Papa wirklich nach Erfrorener Hund versetzen!«
»Oh ja«, bekräftigte sie, ohne eine Sekunde lang darüber nachzudenken.
»Die eigene Tochter. Du machst wohl Witze.«
»Ich brauche etwas zu trinken«, gab sie bekannt, blickte zum Wagenfenster hinaus und registrierte ihre Umgebung zum ersten Mal, seit sie das Büro des Vaters verlassen hatte. Sie durchquerten gerade einen Winkel des Universitätsbezirks. »Harvey, halten wir doch am Scriptorum.«
Harvey fasste nicht an die Steuerung des Wagens. »Miss Kristine, ich halte das nicht für klug.«
»Und was habe ich heute schon getan, das klug gewesen wäre? Wirst du den Wagen zum Scriptorum lenken, oder soll ich Nelly anweisen, die Steuerung zu übernehmen?«
»Ich habe die Sicherheitssysteme aktualisiert, seit du das College verlassen hast«, knurrte Harvey sie an.
»Und ich habe Nelly aktualisiert. Möchtest du auf die Probe stellen, wer das bessere Update erworben hat?«
Harvey erteilte dem Fahrzeug neue Anweisungen. Obwohl im Universitätsbezirk der übliche chaotisch-dichte Verkehr herrschte, trieb der Stadtcomputer für sie einen Parkplatz auf, der weniger als einen halben Block weit vom Scriptorum entfernt lag; es brachte Vorteile mit sich, wenn man ein offizielles Nummernschild wie PM -4 hatte. Das Scriptorum hatte sich in den vier oder fünf Monaten seit Kris’ Uniabschluss nicht verändert. Ein neuer Schwung Studienanfänger saß an den Tischen in Türnähe. Am Tisch, der den höheren Semestern vorbehalten war, lief die unvermeidliche Palaverrunde; Kris hörte den Begriff »Auflösung« fallen und hätte sich am liebsten dazugesetzt. Sie war jedoch kein Abschlusssemester mehr, und außerdem war es ja gut und schön, für oder gegen die Erde zu argumentieren, solange es nur ein Spiel war. Jetzt war das Thema ernst geworden, und Kris diente als Offizier und musste sich den tatsächlichen Folgen der tiefgreifenden Veränderungen stellen. Irgendwie fehlte dem Thema damit der Spaßfaktor.
Kris wählte einen Tisch in der Professorenecke.
Sie machte es sich bequem und versuchte, die Kneipe noch einmal mit den gleichen Augen zu sehen, wie während ihrer vier Collegejahre. Die diffuse Beleuchtung zeigte jeden Riss und Sprung an den Flechtwerkwänden aus künstlichem Mauerstein. Ungeachtet des Aromas von Pizza und Bier war der vorherrschende Geruch der von Studenten: Schweiß, Lesebücher und Hormone, eher eine Bibliothek als eine Kneipe. Die schweren Holztische waren von Graffiti übersät, die von den Studenteneingeritzt worden waren. Auf der anderen Seite des Raums stand der Tisch, in den Kris und ihre gesamte Klasse des Fachs »Probleme des Vierundzwanzigsten Jahrhunderts« am abschließenden Samstagstreff ihre Initialen verewigt hatten; der alte Doc Meade hatte es abgelehnt, über die Probleme von 600 Planeten zu diskutieren, solange er kein Bier in der Hand hielt, also verzichteten sie ein Semester lang an jedem Samstag auf den Seminarraum und trafen sich lieber hier. Der Tisch war besetzt; ein Dutzend Studenten hatte ihn mit Datenlesern, Memofolien und Tastaturen vollgepackt. Einige konzentrierten sich tatsächlich auf die Arbeit, während sich mehrere Paare unter ihnen eher aufeinander konzentrierten. Kris lächelte angesichts dieser vertrauten Szene.
»Was möchtet ihr?«, fragte der kellnernde Student mit dem üblichen Mangel an Interesse, wie ihn die Bedienung des Scriptorums zeigte.
Tom gab die Frage mit einem Blick an Kris weiter. Harvey saß kerzengerade auf seinem Stuhl, das Gesicht eine Studie in allerhöchster Missbilligung. Er hatte Kris oft genug zur Schule gefahren, als sie noch zwölf Jahre alt und verkatert wie ein Dekan war. Höchstwahrscheinlich war er es gewesen, der sie bei Opa Trouble verpetzt hatte. Jetzt musterte er Kris mit der ganzen wortlosen Missbilligung, wie sie nur irgendein Gunnery Sergeant je in einem sonst leeren Gesicht ausgedrückt hatte.
Das beantwortete auch die Frage, warum Kris auf der OKS der
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