Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
trugen gestärkte weiße Uniformen, während Harvey sie auf die ringförmige Einfahrt vor dem Naturgeschichtlichen Museum fuhr. Dessen gewaltiger Ballsaal war für eine Veranstaltung beschlagnahmt worden, die nach Harveys knurriger Meinung die Schlimmste in einer langen Reihe Budenzauber mit Schulterklopfen zu werden versprach. »Hoffentlich brechen sie sich dabei alle die verflixten Arme«, so lautete die sehnliche Hoffnung des alten Soldaten. Tommy hatte sein Bestes getan, um sich davor zu drücken, aber Kris hatte ihn mitgeschleppt, ungeachtet seiner Proteste auf dem ganzen Weg.
»Worüber machst du dir Sorgen? Niemand ist bei so etwas je verletzt worden«, versicherte Kris ihrem Freund.
»Wäre typisch für mich, wenn ich der Erste bin.«
»Unmöglich. Es besteht keine Möglichkeit, dass irgendetwas schiefgehen könnte«, sagte Kris mit einer Zuversicht, die verdampfte, als Harvey sie auf die Einfahrt gebracht hatte. Mehrere Limousinen parkten dort schon, darunter eine, die mit dem Modell von Kris identisch war, abgesehen von der roten und gelben Farbe, die von der glänzenden schwarzen Karosse tropfte.
»Wem gehört die?«, erkundigte sich Tommy.
Gary, der auf dem Beifahrersitz saß, richtete seinen Handgelenkcomputer auf die verschmutzte Limousine und drückte eine Taste. »Eine von unseren, Nummer vier. Hat heute General Ho von der Erde gefahren. Ich dachte, wir hätten die Anti-Erde-Demonstranten weit genug auf Abstand gehalten.«
»Ich habe gar keine Demonstrationen gesehen«, sagte Kris.
»Wir haben sie also vermutlich weit genug für dich auf Distanz gehalten«, erklärte Harvey schleppend, während er neben einer noch größeren, weißen Limousine parkte, die hinten vier Räder brauchte, um nicht in die Knie zu gehen.
»Wem gehört dieses Monster?«, wollte Tommy wissen.
Erneut feuerte Gary eine Anfrage ab und lächelte dann. »Dachte mir schon, dass ich sie kenne. Gibt nicht viele davon. Das private Schlachtschiff Henry Smythe-Peterwalds des Zwölften«, gab Kris’ Leibwächter bekannt.
Tommy zog eine Braue hoch, während er die Tür öffnete. »Und hattest du nicht gesagt, niemand würde auf einer dieser Partys jemals umgebracht?«
»Und sagtest du nicht, es gäbe immer ein erstes Mal?«, antwortete Kris in irischem Tonfall, während sie kritisch das riesige ungeschlachte Beförderungsmittel nebenan ins Auge fasste. Die Panzerung der Karosserie war leicht genug, um auch als Material für Gefechtsausrüstung zu dienen, die ein Soldat ohne technische Hilfe tragen konnte. Woher stammte also all das Gewicht, damit dieser weiße Elefant allein hinten vier riesige Reifen benötigte?
»Wie soll ich nur meinen Ahnen erklären, warum ich vor sie trete, ohne eigene Nachfahren zu haben, die den Familiennamen weitertragen?«, fragte Tommy, während er behutsam ausstieg und die Tür für Kris offen hielt.
»Ich bin sicher, dass deine schmeichelnde irische Zunge eine prima Geschichte fabrizieren wird, um sie zu erfreuen«, antwortete Kris, stieg aus und reckte die Schultern. Wenn es auch stimmte, dass bei diesen Veranstaltungen nie echtes Blut vergossen wurde, konnte einem das politische Gegenstück des roten Saftes bis an die Knie reichen. Früher war sie nur Vaters reizende Tochter und Mutters heiratsfähige Debütantin gewesen. Heute war sie Kris Longknife, Ensign, aktiver Offizier und Ordensträgerin. Vielleicht sollte sie sich das Ganze noch einmal überlegen.
Achselzuckend schloss sie sich dann dem Menschenstrom an, der sich die steinerne Treppe des Museums hinauf in die Rotunde bewegte. Ein sechs Meter großer wilder Tusker ragte im Zentrum der Rotunde auf und bildete mehr eine Hommage an die Kunst des Tierpräparators als die tatsächliche Kreatur, die die ursprünglichen Siedler auf Wardhaven erschreckt hatte. Der größte Teil des Lebensraums der Tusker war inzwischen von Flora irdischen Zuschnitts erobert worden, aber ein paar Herden überlebten bislang auf dem Nordkontinent. Die junge Kris hatte stets Trauer angesichts des ausgestopften Tieres empfunden. Jetzt erinnerte es sie daran, dass die machtvollen Ungeheuer von gestern als Bettvorleger von morgen enden konnten. Und du wolltest unbedingt auf eigenen Füßen stehen. Ein Teil von ihr lachte.
Die hohe Empfangshalle prangte mit Marmorsäulen, ein prächtiges graues Gestein, durchzogen von hellen Adern in rot, orange und blau. Die riesige Fläche des dicken königsblauen Teppichs unter Kris’ weißen Schuhen unterstrich die Farben des
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