Kris Longknife: Unter Quarantäne: Roman (German Edition)

verliere ich wieder die Hälfte dessen, was mir die Herfahrt eingebracht hat. Und Sie sehen wirklich danach aus, als bräuchten Sie Hilfe. Was sagen Sie, wenn ich auf den Anfahrtsteil verzichte und Sie nur die Zeitgebühr entrichten?«
    Das Taxi ist auf Mr Abu Kartum registriert. Seine Bilddatei entspricht dem Mann im Taxi in einhundertvierzig von einhundertsechzig Gesichtsmerkmalen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er es tatsächlich ist, beträgt achtundneunzig Komma acht Prozent. Er hat keine Vorstrafen. Medienberichte zeigen, dass er in der hiesigen islamischen Gemeinschaft sehr aktiv ist und sich für wohltätige und soziale Belange einsetzt. Er zieht sechs Kinder groß, die eigenen vier und die beiden seines Bruders. Der Bruder starb an einer Lungenkrankheit, die er sich vermutlich in einer Chemiefabrik zuzog, in der er arbeitete.
    Das reicht. »Abby«, sagte Kris leise, »wirf mal einen Blick auf die Rückbank.«
    Abby öffnete die hintere Fahrgasttür und wühlte dort herum. Ein Stück weit die Straße hinauf entwickelten einige Männer, die bislang ein baufälliges Haus aufrecht gehalten hatten, mehr Energie und schlenderten auf Kris’ Team zu.
    Schon seit der Zeit, bevor Tommy Fahrkarten für die Bellerophon kaufte, wurde an dem Taxi nicht mehr gearbeitet. Kartum muss dringend mal die zweite und vierte Zündkerze auswechseln.
    Kris gab Jack mit einem Stups zu verstehen, ins Taxi zu steigen. Er leistete dem Folge, ging jedoch rückwärts und behielt die unvermittelt aktiven Zweier- und Dreiergruppen in der Umgebung im Auge.
    Abby richtete sich wieder auf, eine kleine Aktentasche in der Hand. »Hat Ihr letzter Fahrgast die zurückgelassen?«
    Der Fahrer blinzelte. »Ich denke, sie hatte so etwas dabei. Geben Sie mir die. Ich gebe sie in der Zentrale ab, und sie kann sie dort morgen abholen.«
    »Sie wird nicht anrufen«, sagte Abby und huschte schnell in eine Seitengasse. Sie kehrte mit leeren Händen zurück. »Das Taxi scheint sauber. Steigt ein.«
    Abby und Penny halfen Tommy beim Einsteigen. Als Kris sich zu ihnen gesellte, runzelte der Fahrer die Stirn. »Ich stehe nicht besonders auf solche Dinge.«
    Jack glitt auf den Beifahrersitz, während eine kleine Explosion in der Gasse erfolgte. So viel zu der Aktentasche. »Gut. Tun wir auch nicht. Ich schlage nachdrücklich vor, dass Sie Gas geben, oder es passieren hier gleich alle möglichen Dinge.«
    Der arme Mann machte große Augen, als er bemerkte, wie sich die Lage auf der Straße verändert hatte, während er seine aktuelle Fahrt aushandelte. Sein Blick wurde regelrecht finster, als er die Automatikpistolen sah, die Abby und Penny hielten. Er murmelte etwas, das nach einem Gebet klang, drückte das Gaspedal nieder, und es ging holpernd über Schlaglöcher hinweg. Er wich nach rechts und links aus und rammte den Bordstein, während er brummte: »Meine Miriam erzählt mir, ich soll keine Fahrgäste in Katyville aufnehmen. Sie sagt es mir jeden Tag, ehe ich aus dem Haus gehe. Höre ich auf sie? Tue ich das? Morgen werde ich auf sie hören.«
    Er wurde erst langsamer, als sie den Höhenzug zurückgelassen hatten und auf Straßen mit intakter Beleuchtung fuhren. »Sind Sie eine Bande oder so etwas?«, fragte er in den Rückspiegel. »Denn ich mache keine Geschäfte mit Banden. Sie können jetzt aussteigen. Bezahlen Sie mich nicht. Ich nehme Ihr Geld ohnehin nicht.«
    »Wir sind keine Ganoven«, sagte Jack und drehte den Kopf ganz so hin und her, als säße er zu Hause neben Harvey in der Limousine. Wie er dermaßen umschalten konnte, war für Kris ein Rätsel.
    »Ganoven waren es, die unseren Mann hier entführt hatten«, sagte Abby und deutete auf Tom. »Wir haben ihn herausgeholt. Wir gehören zu den Guten.« Abby betrachtete ihre Begleiter auf der Rückbank. »Zumindest heute. Sie können Ihr Geld beruhigt annehmen.«
    Der Fahrer schien nicht überzeugt, aber er fragte: »Wo möchten Sie aussteigen?«
    »Am Orbitalfahrstuhl, Mr Kartum«, sagte Kris.
    Der Fahrer bog links ab. Einen Augenblick später fuhren sie auf einer Schnellstraße, und nach fünf Minuten hatten sie den Fahrstuhl erreicht. Lag die Hölle nur fünf Minuten von einer glänzenden, neuen und wohlhabenden Umgebung entfernt? Kris würde zu Hause einiges nachschlagen müssen.
    Nachdem sie Arme und Beine entwirrt und Tommy langsam aus dem Fahrzeug befördert hatten, nannte ihnen der Fahrer den Fahrpreis, exakt den Betrag, der auf dem Taxameter angezeigt wurde. »Bezahlen Sie ihn gut«, wies Kris