Krise im Jahr 2000
sich für eine Weile. »Wenn du nun getötet würdest, was mache ich dann? Soll ich mir dann allein den Tunnel nach draußen graben? Nein, dafür danke ich, Jon. Ich komme mit dir, das ist selbstverständlich. Ich würde mich fürchten, hier ganz allein zu bleiben.«
Dexter beschloß, sich in das Unvermeidliche zu fügen. »Diese Frauen!« murmelte er, »Sie sind alle gleich! Eigensinnig und unvernünftig.«
Er holte die Chloral-Pistole hervor und untersuchte sie mit bedenklicher Miene. Sechzig nicht tödlich wirkende Patronen gegen vielleicht zehntausend Fremdlinge. Das war ein allzu ungleicher Kampf. Aber er sah keine andere Möglichkeit.
Er ließ die Pistole in das Futteral zurückgleiten und sagte: »Wenn du bereit bist, Lynn …«
»Ehe wir gehen«, flüsterte sie und trat dicht an ihn heran.
Er sah sie ganz nahe vor sich, nahm die weichen und jetzt so vertrauten Linien ihres Gesichtes, ihre sanften Augen und den dunklen Glanz ihres Haares als einen visuell-gefühlsmäßigen Eindruck in sich auf, der ihm fast die Sinne raubte. Sie war für ihn bestimmt, daran war kein Zweifel. Sie war für ihn bestimmt, aber Zeit und Ort waren dagegen.
Er küßte sie leidenschaftlich. Dann umfaßte er ihren Arm, und zusammen gingen sie zur Tür hinaus, durch das Vorzimmer und zum Fahrstuhl. Die Tür schloß sich hinter ihnen. Dexter drückte auf den Knopf zum Erdgeschoß.
Dexter und Lynn bewegten sich schweigend und vorsichtig vorwärts, wie substanzlose Schatten, und hielten sich immer in der Nähe der Mauern und unter den überhängenden Ästen der Bäume.
Dexter bemerkte, daß Lynn in ihrem Wesen unruhig und unsicher war. Jetzt sagte sie mit einer Stimme, die so leise war wie das schwache Wehen des Windes zwischen den Gebäuden: »Es hat keinen Zweck, ohne Plan zu arbeiten, Jon. Man muß einen Plan haben, der sich auf die Kenntnis der Eigenschaften dieser Wesen stützt.«
»Wie kann man gegen eine unbekannte Menge einen Plan aufstellen?« fragte Dexter. »Die Doubles sind ein einziges großes Fragezeichen. Es gibt nur einen Plan, der einige Aussicht auf Erfolg hat, nämlich wenn man die Initiative ergreift und die Doubles überraschend überwältigt.«
Als sie um die Ecke eines hohen Gebäudes bogen und das Stadion vor sich sahen, blieb er mit einem Ruck stehen. Die hohe, halbkreisförmige Umfassungsmauer ragte über ihnen dunkel zum Abendhimmel empor, aber ihre Augen richteten sich auf die Eingangstore, die geöffnet waren und die strahlende Beleuchtung auf dem Platz zeigten. Das machte jedoch ihr Unternehmen nur noch schwieriger. Je mehr Licht vorhanden war, um so leichter würden sie entdeckt werden. Doubles bewegten sich jetzt auch außerhalb des Stadions, keine zwölf Meter von ihnen entfernt – es war das erstemal, daß sie sich über die Grenzen des Stadions selbst hinauswagten. Sie kamen in Gruppen durch den Haupteingang und trugen schwere Apparate, die in der künstlichen Beleuchtung seltsam glitzerten. Etwa sechs Meter von der Wand des Hauses entfernt, errichtete eine Gruppe von Roboter-Drazins ein schlankes Metallgerüst, auf dem ein rechteckiger Kasten ruhte. Er ähnelte einer Filmkamera, sah aber massiver und bedrohlicher aus. Soweit sie in dem schwindenden Tageslicht sehen konnten, wurden überall ähnliche Gerüste erbaut. Die Saturnbewohner arbeiteten schnell, mit schweigendem Eifer. Sie benutzten merkwürdig geformte Werkzeuge, aber nirgends war etwas, was wie eine Waffe aussah, sofern nicht die kameraähnlichen Gegenstände fremdartige Waffen waren.
»Nähere dich ihnen als Freund«, flüsterte Lynn, Dexters Arm umfassend.
»Das möchte ich nicht riskieren«, erwiderte er ernst. »Damit würden wir das Überraschungselement verlieren. Ich schieße mir meinen Weg in die Arena frei. Wir wollen hoffen, daß sie zu erschrocken sind, um sofort zum Gegenangriff überzugehen. Bleib’ dicht hinter mir, Lynn. Sie dürfen uns nicht trennen.«
Vorsichtig traten sie aus der Deckung heraus und gingen in einem weiten Bogen auf das geöffnete Tor zu. Er hielt die Chloralpistole fest in der rechten Hand, so daß er sofort abdrücken konnte, und sein Finger lag am Abzug. Aber es geschah nichts. Die Saturnbewohner schienen die beiden überhaupt nicht zu bemerken, so vertieft waren sie in das Aufstellen ihrer Kameras.
Die Ruhe währte jedoch nicht lange. Als Dexter in den rechteckigen Lichtstrahl trat, der durch das Tor fiel, sah er sich vier Fremdlingen gegenüber, die einen langen Metallzylinder trugen. Sie
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