Krise im Jahr 2000
sich, und er blickte bestürzt auf den Wandschirm. Lynn, die die Veränderung seines Verhaltens spürte, wandte sich ebenfalls dem Bildschirm zu. Sie sahen es beide gleichzeitig.
In den Grundlinien war das Bild das gleiche wie vorher: die silberne Scheibe lag regungslos auf der Grasfläche der Arena, die steifen, unbiegsamen Gestalten der Saturnbewohner tummelten sich geschäftig … Aber eine andere Erscheinung bewegte sich auf die Scheibe zu, die Gestalt eines menschlichen Wesens. Sie war nicht länger als drei Sekunden sichtbar, während sie langsam über die Rasenfläche ging und hinter dem fremden Schiff verschwand, ohne auf der anderen Seite wieder zu erscheinen. Soweit der Bildschirm es erkennen ließ, war es ein älterer, gebeugter Mann mit einem buschigen weißen Bart, eine gebrechliche Erscheinung; er ging mit kurzen, unsicheren Schritten, war dunkel gekleidet und trug einen altmodischen steifen Hut. Auf einer langen, neugierigen Nase saß eine Brille mit Metallrändern. Er war unter den Saturnbewohnern so auffallend und deplaziert wie im Zoo eine Giraffe im Nagetierhaus.
»Hast du das gesehen?« fragte Dexter.
»Allerdings«, erwiderte sie.
»Was hältst du davon? Wer ist der Mann? Kann es einer von den Saturnbewohnern sein?«
»Bitte immer nur eine Frage auf einmal! Ich weiß ebensowenig wie du, wer er ist oder was er dort tut, aber ich kann es vermuten. Mich wundert es nur, wie er ins Stadion hineingekommen ist.«
»Ja, wer ist es denn?«
»Ich kann mich täuschen, aber ich nehme an, daß es Dr. Ebenezer Jollie ist.«
»Jollie? Aber man wußte doch gar nicht, wo er sich aufhielt?«
»Bis heute früh nicht. Doch wenn man ihn später am Tage gefunden und in einem schnellen Düsenflugzeug hierher geschickt hat, dann kann er hier gewesen sein, ehe die Sperrwand sich geschlossen hat.«
Dexter, der noch immer vor einem Rätsel stand, überlegte. »Ja, das ist möglich. Ich hatte Anweisung gegeben, ihm das Betreten der Sperrzone zu erlauben. Aber wie ist er hierhergekommen, durch die Sperrwand?«
»Wie soll ich das wissen? Er ist wahrscheinlich vor fünfzehn Uhr hereingekommen, als alle andern nur darauf bedacht waren, hinauszugelangen.«
»Und warum hat er sich nicht hierher begeben ins Hauptquartier?«
»Das mußt du ihn selber fragen. Vermutlich hat er von den Doubles gehört und ist nach seiner Art gleich ins Stadion geeilt. Das bedeutet, daß er schon länger als vier Stunden dort ist.«
»Dann muß er ein Gefangener und wahrscheinlich in Gefahr sein«, bemerkte Dexter ernst. »Wir müssen also unsere Pläne ändern. Es hat keinen Zweck, jetzt bis zum Dunkelwerden zu warten. Wir müssen sofort hinein und den alten Burschen retten.«
»Aber wenn er nun kein Gefangener ist?« sagte Lynn nachdenklich. »Wenn er auf nettem und freundlichem Fuß mit den Doubles steht? Was tun wir dann?«
Dexters Antwort klang ungeduldig. »Die Doubles haben sich verdammte Mühe gegeben, die Erdbewohner fernzuhalten, warum also sollten sie gegen einen Eindringling freundlich sein? Ich wette zehn gegen eins, daß Jollie ihr Gefangener ist. Wir können es uns nicht leisten, irgend etwas zu riskieren, Lynn. Wir müssen eindringen und feststellen, was dort vorgeht.«
Sie seufzte und umfaßte nachdenklich seine Hände. »Ich fürchte, du hast recht, Jon. Wir müssen herausfinden, was vor sich geht, das ist das wenigste, was wir tun können. Und ich hatte so darauf gehofft, ausnahmsweise einmal unwissenschaftlich sein zu können.«
Dexter lächelte betrübt. »Vielleicht können wir die Fäden später wieder aufnehmen. Du wirst deine Meinung doch nicht ändern, Liebling?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich will es versuchen, Jon.«
Jetzt, da der Augenblick zum Handeln gekommen war, arbeitete sein Gehirn geradezu fieberhaft.
»Du bleibst hier, Lynn«, sagte er. »Behalte den Bildschirm im Auge und beobachte, wie ich durchkomme. Wenn es möglich ist, daß du folgen kannst, gebe ich dir aus dem Stadion ein Zeichen.«
»Daraus wird nichts, mein Lieber«, erwiderte sie ruhig. »Ich gehe mit dir.«
Dexter sah sie mit seinen kalten, befehlsgewohnten Augen an. »Das wirst du nicht tun, Lynn. Du tust, was ich sage. Dies ist meine Aufgabe, und diese Arbeit kann ich allein besser ausführen!«
»Mache dir nichts vor«, sagte sie freundschaftlich. »Du bist kein Wissenschaftler. Wenn du gegen Wissenschaftler kämpfen willst, mußt du einen Wissenschaftler zu Hilfe haben.« Dann veränderte sich ihre Miene und überschattete
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