Krishna-Zyklus 10 - Die Kontinente-Macher
eben dabei heraus, wenn man eine Riege markiger Tugendbolde an eine solche Sache heranließ …
»Unser Problem«, riss ihn Kubanan aus seinen Gedanken, »ist indes viel handfester und dringlicher. Wir sind von Feinden umringt. Jenseits des Pichide liegt Gozashtand, dessen Herrscher neuerdings einen eindeutigen Konfrontationskurs gegen uns eingeschlagen hat. Und die Stadt Majbur ist eine wahrhaftige Brutstätte von Verschwörungen und Umsturzplänen. Wenn man einen Weg finden könnte, uns – sagen wir mal – nur ein einziges Gewehr zu beschaffen, das unsere klugen Schmiede dann nachbauen könnten, dann gäbe es nichts, was der Orden nicht tun würde …«
Aha, dachte Borel, daher weht also der Wind! Das ist also der Grund, warum der alte Knabe einem Wildfremden gegenüber so freundlich ist. »Ich sehe, worauf Ihr hinauswollt, Exzellenz. Ihr seid Euch doch der Risiken bewusst, die damit verbunden sind, nicht wahr?«
»Je größer das Risiko, desto größer die Belohnung.«
»Gewiss, gewiss, aber eine Sache von solcher Tragweite erfordert außerordentlich sorgfältige Planung, wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt. Ich werde Euch Bescheid sagen, wenn ich Zeit gehabt habe, darüber nachzudenken.«
»Ich verstehe.« Kubanan erhob sich und sagte zu Boreis Überraschung: »Ich lasse Euch jetzt allein; sonst glaubt Kuri noch, ich hätte sie völlig vergessen. Ihr bleibt doch über Nacht hier, nicht wahr?«
»Nun, ich – ich danke Euch, Exzellenz. Ich müsste jedoch meinem Diener eine Nachricht zukommen lassen.«
»Aber gewiss; ich schicke Euch einen Pagen. Inzwischen kann Euch Lady Zerdai ja ein bisschen Gesellschaft leisten; oder wenn Ihr lieber lesen wollt – in meiner Bibliothek findet Ihr ausreichend Lektüre. Ach, richtig: Euer Raum – zweite Tür links.«
Borel murmelte ein Dankeschön, und der Schatzmeister entschwand mit wehendem Gewand. Die Entscheidung zwischen Kubanans Bibliothek und Lady Zerdais Gesellschaft fiel Borel nicht sonderlich schwer. Er setzte erneut sein charmantestes Lächeln auf und ließ sich neben Zerdai nieder, die ihn bereits glühenden Auges erwartungsvoll anhimmelte.
»Jetzt, da wir nicht mehr über Geld zu sprechen brauchen, erzählt mir mehr von der Erde. Wie lebt Ihr? Ich meine, welches System habt Ihr bezüglich der persönlichen Beziehungen? Habt Ihr Heime und Familien wie die Gemeinen, oder besitzt Ihr alles gemeinsam wie wir Hüter?«
Als Borel es ihr erklärt hatte, stieß sie einen tiefen Seufzer aus und sagte mit einem geistesabwesenden, fast schwärmerischen Blick: »Könnte ich doch nur dorthin! Ich kann mir nichts Romantischeres vorstellen, als eine irdische Hausfrau zu sein! Mit einem schönen Heim, einem Mann und Kindern, die mir ganz allein gehören! Und mit einem Telefon!«
Borel dachte mit einem inneren Grinsen, dass so manch eine terranische Hausfrau da ein ganz anderes Liedchen von zu singen wusste, aber er behielt diesen Gedanken für sich und sagte statt dessen sanft: »Könntet Ihr nicht aus dem Orden austreten?«
»Theoretisch ja – aber praktisch wäre es kaum möglich. Es wäre gleichsam ein Schritt in eine völlig andere Welt, und wer weiß, wie die Gemeinen mich aufnehmen würden? Würden sie sich nicht abgestoßen fühlen von dem, was sie mit dem Begriff ›vornehmes Getue‹ bezeichnen und was einfach in mir drinsteckt? Und wenn ich mir vorstelle, dass mir ab sofort alle Hüter mit Hohn und Verachtung begegnen würden … Nein, es wäre nicht möglich. Wenn man diese Welt hingegen ganz verlassen und auf der Erde ein völlig neues Leben anfangen könnte …«
»Das ließe sich unter gewissen Umständen vielleicht sogar machen«, sagte Borel vorsichtig. Er war zwar bereit, ihr das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen, wenn er sie damit als Komplizin für seine Pläne gewinnen konnte, aber er wollte sich andererseits auch nicht in mehr Ränke und Intrigen einlassen, als er gleichzeitig überschauen konnte.
»Wirklich?« hauchte sie und warf ihm einen glühenden Blick zu. »Es gibt nichts, was ich nicht täte …«
Das sagt jeder, dachte Borel. Alle sagen einem, dass es nichts gäbe, was sie nicht täten, wenn ich ihnen nur das verschaffen könnte, was sie wollen. Laut sagte er: »Ich könnte bei dem einen oder anderen meiner Projekte hier Hilfe gebrauchen. Kann ich auf Euch rechnen?«
»Ich stehe Euch voll und ganz zur Verfügung, von ganzem Herzen!«
»Gut. Ihr werdet es nicht bereuen. Wir zwei würden ein wunderbares Gespann bilden,
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