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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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konnte auch ein kleiner Teich sein oder eine Mulde im Stein, in der sich klares Quellwasser gesammelt hatte. Eine erfahrene Maor-Say hätte problemlos auch eine der unzähligen Pfützen verwenden können, die der Starkregen an einigen Stellen im Wald zurückgelassen hatte, aber das Wasser darin war trüb, und Noelani mangelte es an Erfahrung in solchen Dingen. Auf Nintau hatte es klares Quellwasser im Überfluss gegeben. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass sie einmal gezwungen sein würde, etwas anderes für eine Geistreise zu verwenden. Insgeheim hatte sie gehofft, irgendwo im Wald einen kleinen Bach oder eine Quelle zu entdecken, aber selbst wenn es hier dergleichen geben sollte, machte das heillose Durcheinander nach dem Sturm es ihr unmöglich, es zu finden. Außerdem wollte sie sich nicht weiter als nötig von den anderen entfernen. Die Gegend war ihr fremd, und sie fürchtete, den Weg zurück allein nicht zu finden. So stapfte sie weiter durch das unwegsame Gelände, bis die Rufe vom Strand nicht mehr zu hören waren, und noch ein ganzes Stück weiter, um ganz sicher ungestört zu bleiben.
    Ein wuchtiger Nadelbaum schien für ihr Vorhaben hervorragend geeignet zu sein. Die unteren Äste hingen fast bis auf den Boden hinab und bildeten eine natürliche Höhle. Der Boden bestand aus einem dicken Nadelteppich, der erfreulich trocken war. Noelani musste nur ein paar dürre Zweige abbrechen, um sich Platz zu verschaffen, dann war der Raum groß genug, um ihr für die Dauer des Rituals als Unterschlupf zu dienen.
    Mit überkreuzten Beinen setzte sie sich unter das Dach aus Tannenzweigen, den Rücken zum Stamm, das Gesicht dem Eingang zugewandt. Der unebene Boden und die Enge machten es ihr nicht leicht, eine erträgliche Sitzhaltung einzunehmen. Immer wieder verfingen sich ihre Haare in winzigen Zweigen, und bei jeder Bewegung fanden die Nadeln vom Boden einen Weg unter ihr Gewand und stachen ihr in die Haut.
    Während Noelani ihre Haare von den Ästchen und die Kleidung von Nadeln befreite, fluchte sie leise vor sich hin. Aber sie wusste auch, dass sie kaum einen besseren Ort als diesen finden würde. Als sie alle störenden Einflüsse beseitigt hatte, nahm sie die Holzschüssel, stellte sie in die Mulde, die ihre überkreuzten Beine bildeten und goss das Wasser aus dem Krug hinein. Argwöhnisch betrachtete sie die Schüssel und das Wasser darin. Sie hatte noch nie eine Geistreise mithilfe von Meereswasser unternommen, und der Gedanke daran, was alles passieren konnte, erfüllte sie mit Unbehagen. Dennoch zögerte sie nicht länger. Als sich die Wasseroberfläche beruhigt hatte, kreuzte sie die Arme vor der Brust, schloss die Augen, nahm einen tiefen Atemzug und erschuf vor ihrem geistigen Auge das Bild des Ozeans, dessen Wellen sich an dem mit Hölzern, Seetang und Unrat übersäten Strand brachen. Dies war der Ort, den sie im Geiste aufsuchen wollte. Dort würde sie ihre Reise beginnen.
    Als sie die Augen öffnete, sah sie im Wasser der Schale den Haufen aus Vorräten und Segeltuch am Strand liegen und dahinter die Flüchtlinge, die in kleinen Gruppen beisammenstanden und redeten oder allein im Sand saßen und auf das Meer hinausstarrten, als warteten sie auf jemanden.
    Noelani blickte angestrengt auf das Wasser und konzentrierte sich. Langsam, viel langsamer als auf Nintau wurde das Bild größer und größer. Wie ein lebendiges Ding quoll es über den Rand der Holzschüssel, dehnte und streckte sich und nahm schließlich nahezu das gesamte Sichtfeld ein. Noelani spürte den Sog, der von dem Bild ausging und an ihrem Bewusstsein zerrte, aber er war zu schwach, um sie aus der Wirklichkeit zu lösen. Noch immer spürte sie die Kälte auf der Haut und den harten Boden unter ihrem Gesäß.
    Sie merkte, dass sie unruhig und ungeduldig wurde, und kämpfte gegen die Gefühle an, so wie die Maor-Say es sie gelehrt hatte.
    »Eine Geistreise lässt sich nicht erzwingen«, hatte ihre alte Lehrmeisterin zu ihr gesagt. »Du musst dich ihr hingeben wie einem Liebhaber, und sie muss dich willkommen heißen. Nur wenn die Schwingungen übereinstimmen, werdet ihr eins. Lass dich fallen. Lass es geschehen. Sei ohne Furcht und Sorge und frei von Ungeduld. Dann wirst du Erfolg haben.«
    Frei von Ungeduld und ohne Sorge.
    Das war leichter gesagt als getan. Zu viel hing davon ab, dass die Geistreise gelang. Noelani seufzte. Das Bild begann zu verschwimmen.
    Nein!
    Hastig schloss sie die Augen und versuchte sich wieder auf

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