Kristall der Macht
»Wer immer das geschrieben hat, muss den Verstand verloren haben.«
»Oder er ist besonders klug«, wandte Nuru ein. »Vielleicht verbirgt sich hinter den Worten eine geheime Botschaft.«
»Das werden wir bald wissen.« Olufemi gab den beiden Kriegern, die am Zelteingang Wache hielten, ein Zeichen. »Schafft mir Arkon, den Schmied, und seinen Sklaven unverzüglich hierher!«, befahl er und fügte hinzu: »Nehmt Verstärkung mit und bindet sie. Arkon wird vermutlich versuchen zu entkommen.«
Die Wachen nickten stumm und verließen das Zelt.
»Wie lange geht das schon?«, fragte Olufemi, als die Wachen gegangen waren. Erst jetzt, da Nuru ihm einen Beweis für seinen Verdacht geliefert hatte, schien er sich wirklich dafür zu interessieren, was es mit den Tauben auf sich hatte.
»Wie ich schon sagte: seitdem er zu uns gekommen ist«, erwiderte Nuru. »Allerdings habe ich den Tauben zunächst keine Beachtung geschenkt.«
»So lange schon?« Olufemi stützte sich auf die Tischplatte, auf der die tote Taube lag, und fragte: »Wer ist T.?«
»Vielleicht eine Geliebte.«
»Oder ein Feind.« Olufemi hob die Hand ans Kinn, während er nachdenklich im Zelt auf und ab schritt. »Wenn er die Tauben nach Baha-Uddin geschickt hat, ist unser Plan in großer Gefahr.«
»Das ist gut möglich.« Nuru nickte. Noch nie hatte er Olufemi so beunruhigt erlebt. Der Anführer der Rakschun war dafür bekannt, umsichtig und besonnen aufzutreten. Dass die unerwartete Wendung ihn so mitnahm, zeigte, wie ernst die Lage war. »Ich fürchte aber, er wird es uns nicht sagen.«
»Natürlich nicht. Er ist stumm.« Olufemi blieb vor dem Zelteingang stehen, spähte hinaus und kehrte dann zu Nuru zurück. »Aber er kann es aufschreiben. Und beim Blute meiner Väter, das wird er. Verlass dich drauf.«
Später als erwartet, kehrten die Wachen zurück, den gefesselten Arkon in der Mitte mit sich führend. Einer der Männer hatte eine blutige Lippe, der andere ein geschwollenes Auge. Es war nicht zu übersehen, dass erst das blanke Eisen ihrer Schwerter und die beiden Speerspitzen hinter Arkons Rücken den Schmied hatten dazu bewegen können, ihnen zu folgen.
»Hier ist er!« Während der eine Arkon einen Stoß in den Rücken versetzte, brachte der andere ihn zu Fall, indem er ihm mit dem Fuß die Beine unter dem Leib wegriss. Arkon stürzte wie ein gefällter Baum, schlug auf dem Boden auf und wurde von den beiden wieder so weit in die Höhe gerissen, dass er vor Olufemi kniete.
Ohne Taro auch nur eines Blickes zu würdigen, der hinter Arkon von zwei weiteren Wachen gefesselt ins Zelt geführt worden war, ging Olufemi zu dem Tisch, nahm die Taube zur Hand und warf sie vor Arkon auf den Boden. »Erkennst du sie?«, fragte er knapp.
Arkon gab ein paar gutturale Laute von sich.
»Ich weiß, dass du nicht sprechen kannst«, sagte Olufemi so ruhig, als plaudere er mit Arkon bei einem Tee über das Wetter. »Das ist auch nicht nötig. Für Ja bewegst du den Kopf auf und ab.« Er deutete die Bewegung an. »Für Nein schüttelst du ihn.« Auch diese Bewegung machte er vor. »Hast du mich verstanden?«
Arkon presste die Lippen fest zusammen und starrte zu Boden. Ohne eine Vorwarnung schoss Olufemis Faust vor und versetzte ihm einen so harten Schlag gegen den Wangenknochen, dass Nuru vor Schreck scharf die Luft durch die Zähne zog. Arkon kippte zur Seite, aber die Wachen hielten ihn und sorgten dafür, dass er nicht umfiel. »Und jetzt?«, fragte Olufemi lauernd. »Hast du mich jetzt verstanden?« Arkon zögerte. Dann nickte er.
»Gut.« Olufemi zog das Wort so in die Länge, dass es wie eine -Drohung klang. »Ich frage dich noch einmal. Erkennst du dieses Tier?«
Arkon schüttelte den Kopf und fing sich sogleich den nächsten Fausthieb ein. Seine Lippe platzte auf. Blut tropfte zu Boden, aber niemand kümmerte sich darum. »Erkennst du sie?«, fragte Olufemi noch einmal. Wieder schüttelte Arkon den Kopf. Nuru war sicher, dass Olufemi noch einmal zuschlagen würde, aber dieser seufzte nur und sagte: »Du machst es mir nicht leicht, Schmied.« In aller Ruhe säuberte er seine Hand mit einem Tuch, zog einen Stuhl heran und sagte, an die Wachen gewandt: »Ich fürchte, es dauert etwas länger. Setzt ihn da hin und bindet ihn«, während er gleichzeitig jemandem ein Zeichen gab, der an der Tür wartete. Nuru sah sich um und erschauderte. Der Krieger, der das Zelt betreten hatte, überragte alle anderen um mehr als Haupteslänge, mit Schultern, die so
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