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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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»Ich finde, es schickt sich nicht, dass ein unverheiratetes Mädchen bei einer Kindsgeburt hilft.
    Es ist mir egal, welche Ausbildung sie in Geburtshilfe gehabt hat.
    Ein Mädchen, das noch Jungfrau ist, hat von derlei Dingen keine Ahnung. Arme Ida Threadgood«, schloss sie mit einem Seufzer, und einige andere stimmten mit ein.
    Matthew Lively war unfreiwillig Zeuge ihrer lautstarken Tirade geworden. Seiner Meinung nach lag Mrs. Hopkins völlig falsch, wenn sie Miss Fitzsimmons als »sitzen geblieben« bezeichnete. Er hatte inzwischen oft genug Gelegenheit gehabt, die junge Frau mit den wogenden roten Haaren zu beobachten, da die Threadgoods nur drei Wagen vor ihm fuhren, und er hegte den starken Verdacht, dass Miss Fitzsimmons gar nicht zu warten gedachte, bis ein Mann sie wählte, sondern sich den Mann selber aussuchte. Und wenn sie eine alte Jungfer war, dann gewiss nicht, weil keiner sie gefragt hatte. Er konnte sich nicht erklären, warum Miss Fitzsimmons ihn so sehr beschäftigte. Er mochte sie nicht einmal besonders. Sie wirkte so undamenhaft, und ihre Art, herzhaft zu essen, stieß ihn ab. Seine geliebte Honoria pflegte kaum je einen Bissen zu sich zu nehmen.
    Sie war so dünn, dass ihre Wangen- und Schlüsselbeinknochen deutlich hervorstanden. Und so zart, dass sie kaum den Fächer zu heben vermochte, um sich Kühlung zu verschaffen. Kein Wunder, dass die Hälfte der männlichen Jugend Bostons ihr zu Füßen lag.
    Andererseits zog Miss Fitzsimmons ihn unwiderstehlich an. Aber das konnte nur daran liegen, dass die gleichen Gründe sie nach Westen trieben wie ihn – um einen Ort zu finden, wo sie ihre Tüchtigkeit unter Beweis stellen konnte.
    Eines Tages ließ sich Ida Threadgood, die Hände auf dem gewölbten Leib zu der Bemerkung hinreißen: »Gott sei Dank, dass Sie dabei sind. Diese Unternehmung war nicht meine Idee. Dieser hirnlose Mensch von einem Ehemann hat unsere Farm bei Nacht und Nebel verkauft und mir nichts davon gesagt. Und da bin ich nun, ohne Heimat, mit fünf Bälgern und einem unterwegs.« Emmeline versuchte, sich ihren Schock nicht anmerken zu lassen. Noch nie hatte sie eine Frau so respektlos über ihren Ehemann reden hören.
    Bald jedoch stellte sie fest, dass Ida nicht die Einzige mit solcher Gesinnung war. Viele Frauen befanden sich unfreiwillig auf dem Trail, sie folgten ihrem Ehemann oder Vater nach Westen, weil sie keine andere Wahl hatten. Und so machten sie, außer Hörweite der Männer, über Kochfeuern und Waschbottichen ihrem Ärger Luft.
    Für die Männer stellte so eine Reise ein echtes Abenteuer dar.
    Frauen jedoch brauchten Halt, eine feste Bleibe, vor allem, wenn Kinder kamen. Da sie nichts anderes tun konnten, trösteten sie sich mit dem festen Glauben, dass das bessere Leben von morgen mit der harten Arbeit von heute verdient werde.
    Einhundertsechzehn Meilen von Independence entfernt, am zwölften Tag auf dem Treck, setzten bei Mrs. Biggs die Wehen ein.
    Kaum wollte Emmeline zu Hilfe eilen, da drängte Albertina Hopkins sie beiseite, indem sie sie beinahe umstieß, und blockierte ihr den Weg. Emmeline hätte es dieser selbstgerechten Albertina gerne heimgezahlt, aus Rücksicht auf die arme Mrs. Biggs in den Wehen hielt sie sich jedoch zurück.
    Am folgenden Tag zog ein massives Unwetter am Horizont auf, das mit rasender Geschwindigkeit näher kam. Eilig wurden die Wagen zu einer Wagenburg formiert, mit den Rindern und Pferden im geschützten inneren Kreis, dann duckten sich alle unter flatternde Planen, als der Sturm über ihnen losbrach. Emmeline, die geholfen hatte, Threadgoods Ochsen auszuspannen, rettete sich unter den nächstbesten Wagen, der zufälligerweise Matthew Lively gehörte.
    Eng aneinander gedrückt hockten sie stumm da, während die Naturgewalten um sie herum tobten. So unerwartet, wie er gekommen war, zog sich der Sturm über die Ebene zurück und hinterließ den spektakulärsten Regenbogen, den je einer gesehen hatte. Albertina Hopkins stieg von ihrem Wagen herunter, scheuchte ihre Brut zum Spielen und erklärte, den Blick auf die aufbrechenden Wolken: »Ah, die Sonne kommt raus«, mit derartigem Stolz in der Stimme, als hätte sie persönlich das Phänomen organisiert. Nach dieser Begegnung wuchs Emmelines Interesse an dem jungen Dr.
    Lively. Mit seinem langen, ernsten Gesicht sah er aus, als hätte er zu viele Beerdigungen besucht. Ob er wohl viele Patienten verloren hatte? Emmeline konnte nicht ahnen, dass Matthew seinerseits sich Gedanken über

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