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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Organ, jede Sehne, ja selbst die Pferdemähnen genutzt. Und dann bemerkte sie, dass sogar das allergrößte Tabu gebrochen worden war: Die Mehrzahl der getöteten Tiere waren Stuten. Ihr Clan pflegte nur männliche Tiere zu jagen, da diese keine Jungen austragen konnten und somit für das Überleben der Herde nicht so wichtig waren. Weibliche Tiere zu töten bedeutete, ihre künftigen Abkömmlinge und letzten Endes die gesamte Herde zu töten. Beim Betrachten dieses abscheulichen Schlachtfelds – einige der Stuten waren trächtig gewesen – fiel ihr ein, dass sie auf ihrer Wanderung bisher keine Pferde gesehen hatten. Lagen vor ihr nunmehr die Letzten ihrer Art?
    Sie wandte sich dem Mann zu, der sie gleichermaßen erregte und verwirrte, jetzt aber erschreckte und abstieß, wie bei ihrer ersten Begegnung. Ein Mann, der so behutsam mit einem verwundeten alten Mann umging, andererseits aber Hunderte von Pferden ins sinnlose Verderben treiben konnte und sich nichts dabei dachte! Als er fortfuhr, in seiner ihm eigenen Sprache zu reden, wild Richtung Norden gestikulierte und sich wiederholt stolz an die Brust klopfte, während seine Augen eine andere Sprache sprachen und seine immense Einsamkeit verrieten, dämmerte Laliari die bittere Wahrheit: Zant war gar nicht der Letzte seines Stammes. Nachdem sie die heimischen Bestände ausgebeutet hatten, waren seine Leute gezwungen gewesen, auf der Suche nach neuen Herden weiter gen Norden zu ziehen. Wie Zant ihr bedeutete, folgten die Männer des Wolfsclans den Wolfsrudeln, die ihrerseits den Spuren der Herden folgten, und seine Leute lagerten einen Tagesmarsch von hier jenseits des Sees in den Bergen, wo sie auf ihn warteten.
    Schließlich war Belleks Wunde verheilt, und Zant erklärte, dass es Zeit für ihn werde weiterzuziehen. Er legte seine Habe zusammen und machte sich zum Abschied bereit. Diesmal würden sie sich berühren dürfen, denn es ging ums Abschiednehmen. »Lali«, sagte er mit so verlorener Stimme, dass es ihr das Herz rührte, und seine rauen Fingerspitzen auf ihrer Wange entfachten kleine Feuer in ihrem Inneren. Sie nahm seine Hand, presste sie mit der Handfläche an die Lippen und hielt sie in einem langen, schmerzvollen Kuss.
    Unter seinen schweren Brauen stiegen ihm Tränen in die Augen.
    Namenlose Gefühle, unerklärliche Empfindungen wallten in ihr auf.
    Noch nie war sie auf diese Weise berührt gewesen – weder bei Dorons erster Umarmung noch im Augenblick seines Todes. Dieser rätselhafte Mensch aus einer anderen Welt hatte in ihrem Innersten Winkel und Nischen aufgespürt, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte, und ihre Seele auf eine Weise geweckt, dass sie hungerte und brannte und glaubte, ohne ihn sterben zu müssen. Er riss sie in die Arme. Die Lippen an seiner Wange, fühlte sie seinen heißen Atem in ihrem Nacken und seine harte Männlichkeit. Als er sie auf den Boden bettete, zog sie ihn rasch auf sich. Er nannte sie »Lali« und streichelte wie im Fieber ihre Glieder. Sie murmelte »Zant« und öffnete sich ihm. Er war kräftiger als Doron, und das Gefühl, ihn zu spüren, nahm ihr den Atem.
    Bellek, der draußen auf einem Felsen wartete und für derlei Dinge Verständnis hatte, kauerte sich nieder und begann in aller Ruhe, Nissen aus seinen Haaren zu ziehen.
    Zant blieb sieben Tage und sieben Nächte bei Laliari, und in dieser Zeit erforschten und entdeckten sie einander, verbrachten die Stunden des Tages mit Jagen und Fischen und die Nachtstunden in lustvoller Umarmung. Als er schließlich von ihr Abschied nahm, wussten beide, dass sie sich nie wiedersehen würden. Laliaris Platz war bei ihrem Volk, und sie würde, obwohl sie es jetzt noch nicht wissen konnte, eines Tages das Gazellengeweih tragen. Und Zant, der eilen musste, um zu seinen Clansleuten zu kommen, konnte ebenfalls nicht ahnen, dass diese mit ihrer Jagdmethode, ganze Mammutherden, Pferde-, Rentier- und Steinbockherden über die Klippen zu treiben, bei manchen von ihnen zur Ausrottung ihrer Art beitrugen. Zant und sein Volk würden nach Norden wandern, ohne sich der Tatsache bewusst zu sein, dass ihre eigene Rasse kurz vor dem Aussterben stand aus Gründen, die noch 35.000 Jahre später ein Rätsel bleiben sollten, wenn man ihn und seine Artgenossen
    »Neandertaler« nennen würde.
    Als Laliari traurig ihre Habe zusammenpackte, um mit Bellek an den See zurückzukehren, fand sie in einem ihrer Körbe die kleine Statuette mit dem Kinderstein versteckt. Ein Abschiedsgeschenk

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