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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Heilsalbe und umwickelte sie mit Leinenstreifen. Und während sie ihm Gesicht und Körper wusch, schimpfte sie mit ihm, dass er verrückt sei und sich zu viel zugemutet hätte und dass es nur Dämonen sein könnten, die ihn in die Hügel getrieben hätten. Als Avram erwachte, strich sie ihm über die Stirn. »Avram, ich kann nicht verstehen, warum die Göttin uns dieses Schicksal auferlegt. Ich bin nur eine einfache Frau, aber eins weiß ich ganz sicher: Ich liebe dich.« Sie streckte sich neben Avram aus. Entkräftet und zerschlagen wie er war, spürte er, dass nun glücklichere Zeiten anbrachen. Am nächsten Morgen erwachte er von lautem Freudengeschrei vor dem Zelt. »Was ist los?«
    Marit, die dabei war, sich die Haare zu kämmen und zu flechten, schien um Jahre verjüngt, als sie ihn anlächelte. »Reina sagt, das Herz der Göttin sei wieder da.« Und sie flog in seine Arme. Als Avram wieder genesen war, kehrte er zu seiner Arbeit zurück, Marit an seiner Seite, die zwei Körbe schleppte. Gegen Nachmittag hatten sich ihnen Caleb und zwei weitere Brüder angeschlossen, und die Dorfbewohner gafften immer noch.
    Am dritten Tag tauchte Namir mit vier Neffen im Schlepptau auf.
    Bei Einbruch der Nacht türmten sich die Steine bereits in beträchtlicher Höhe.
    Am Morgen darauf packten alle männlichen Dorfbewohner mit an. Der Anblick des blauen Kristallherzens der Göttin hatte sie mit neuem Mut und neuer Hoffnung erfüllt.
    Als Fundament für die Mauer ließ Avram einen Graben ziehen.
    Er führte im weiten Kreis um die Quelle herum, sodass die Menschen ihre Häuser innerhalb der Mauern errichten konnten. Bald setzte emsiges Treiben bei den Ziegelbrennern ein, als die Einwohner mit neuer Tatkraft darangingen, ihre Siedlung wieder aufzubauen. Sie arbeiteten den ganzen Winter und Frühling hindurch, und zum Schutz vor Überfällen wurden Knaben auf provisorischen Wachtürmen postiert.
    Avram hatte Männer angeheuert, die für eine bestimmte Weinration die Weinberge bewachten. Seine Brüder pflegten die Weinstöcke, die bald schon reiche Erträge lieferten. Andere halfen mit, jäteten Unkraut, beschnitten die Reben, düngten und wässerten und jagten jeden Dieb mit Stöcken und Keulen davon. Dann geschahen unerwartet zwei Wunder.
    Das erste geschah, nachdem Avrams Hündin tagelang verschwunden und dann völlig erschöpft mit verfilztem Fell wieder aufgetaucht war. Nach einiger Zeit bemerkte Avram, dass ihr Leib anschwoll, und als sie ihm einen Wurf junger Hunde bescherte, wusste er, dass eine neue Population an der Stätte der Ewigen Quelle Fuß gefasst hatte.
    Dann geschah das zweite Wunder. »Ich bin schwanger«, erklärte Marit mit so tief überraschtem Ausdruck, als hätte sie der Göttin direkt ins Antlitz geblickt.
    Es war tatsächlich ein Wunder, ein Zeichen, dass die Göttin ihrem Volk wieder wohl gesonnen war. In dieser Nacht lag Avram noch lange neben Marit wach. In seinem Kopf war ein fernes Echo, ein Gedanke versuchte Gestalt anzunehmen, aber er ließ sich nicht fassen.
    In diesem Sommer, da die Schutzmauer Schicht um Schicht wuchs, immer mehr Lehmziegelhäuser im Ring der Mauer entstanden und ein trutziger Turm unter den kundigen Händen eines Steinmetzen erwuchs, warfen Avrams Weinstöcke eine üppige Ernte ab, und jedermann eilte herbei, um die Trauben zu pressen. Reina und die Göttin führten die Prozession zur heiligen Höhle an, und als sie sich deren Eingang näherten, erhob sich eine leichte Brise, die sanft und mit süßem Duft über sie strich. Avram hielt inne, um über die Ebene bis zum Toten Meer zu schauen, und hatte das merkwürdige Gefühl, als ob ihm ein parfümierter Atem über den Nacken streiche. Die Sommerbrise liebkoste sein Haar, und dann sandte die Sonne goldene Lichtspeere über das Tote Meer herüber.
    Der Tag wirkte irgendwie irreal. Das Summen der Insekten erschien Avram lauter, die Farben wirkten leuchtender, als ob die ganze Natur um ihn herum ihm etwas sagen wollte.
    Er gebot der Prozession am Fuß der Kliffs Halt und spähte zu dem schattigen Höhleneingang hinauf. Da erkannte er blitzartig, wie schon Generationen vor ihm, wie sehr die Höhle dem weiblichen Schoß ähnelte. In Mutter Erdes Schoß würde der Traubensaft im Dunkeln ruhen, während die Göttin die magische Umwandlung vollzog und dem Saft Leben einhauchte, indem sie ihn zu Wein machte.
    Noch während Avram die Höhle anstarrte, regte sich abermals dieser unbestimmte Gedanke in seinem Kopf, gaukelte wie ein

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