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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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meinst bestimmt meine Tochter. Oder ihr Neugeborenes.«
    »Die Zeichen waren ganz klar. Ein Mann tritt in Euer Leben, Gebieterin, und er öffnet die Arme für Euch.«
    Der einzige Mann, der gemeint sein konnte, war ihr Ehemann Cornelius, der täglich aus Ägypten zurück erwartet wurde. Aber das war unmöglich. Er hatte seine Arme seit Jahren nicht mehr für sie geöffnet. »Was sagen die Zeichen über meine Tochter?«
    Der Wahrsager zuckte nur die Schultern und hielt die Hand auf.
    »Nichts, Gebieterin. Nur über Euch.«
    Amalia gab dem Mann eine Goldmünze, dann eilte sie durch den Säulengang zum Schlafzimmer, in dem ihre Tochter in den Wehen lag.
    Amelia hatte alle Vorsicht walten lassen, um den glücklichen Verlauf dieser Schwangerschaft, der ersten ihrer jüngsten Tochter, zu gewährleisten. Gleich vom ersten Tag an hatte Amelia die Tochter gedrängt, die Schwangerschaftsmonate auf ihrem Landsitz zu verbringen, wo die Patrizierfamilie Vitellius seit Generationen Wein und Oliven produzierte. Amelia hätte ihr Stadthaus vorgezogen, doch wann immer ihr Gatte Cornelius auf Reisen war, wie auch jetzt in Ägypten, bestand er darauf, dass sie mit dem gesamten Haushalt aufs Land zog. Nur Amelia kannte den wahren Grund für diese strenge Regel, nur sie allein wusste, dass sie eine Art Bestrafung darstellte.
    Sie betrat das Schlafzimmer, in dem sich Hebammen und ihre Helferinnen, Cornelias Tanten und Cousinen, ihre ältere Schwester und zwei Schwägerinnen drängten. In einer Ecke saß der Astrologe und wartete zwischen all seinen Karten und Instrumenten darauf, den Moment der Kindsgeburt zu dokumentieren. Einer sehr alten Tradition in adligen Familien folgend, war Amelias Tochter nach ihrem Vater, also Cornelia, genannt worden, und nicht nach ihrer Mutter, was Amelia lieber gewesen wäre.
    Sie fühlte mit Cornelia, denn sie selbst war auch erst siebzehn gewesen, als sie ihr erstes Kind geboren hatte, einen Sohn, der jetzt sechsundzwanzig wäre, hätte er überlebt. Amelias zweite Schwangerschaft hatte mit einer Fehlgeburt geendet, aber aus ihrer dritten Schwangerschaft war ihr Ältester, Cornelius, hervorgegangen. In der Hoffnung, eines Tages in seines Vaters berühmte Fußstapfen zu treten, studierte er jetzt die Rechte. Danach war Amelia noch sieben Mal schwanger gewesen: Zuerst kamen die Zwillinge, die jetzt zwanzig Jahre alt waren, dann folgte Cornelia, danach zwei Kinder, die nur kurz überlebten, dann wurde ihr dreizehn Jahre alter Sohn Gaius geboren. Nach einer weiteren Fehlgeburt war sie schließlich vor sechs Jahren zum letzten Mal schwanger geworden. Danach hatte sich ihr Leben für immer verändert.
    Sie trat an das Bett der Tochter. Voller Mitgefühl und Besorgnis legte sie ihr die Hand auf die Stirn und wünschte von ganzem Herzen, ihr die Schmerzen abnehmen zu können.
    Die junge Frau stieß die Hand der Mutter fort. »Wo ist Papa?«, sagte sie unruhig. »Ich will Papa.«
    Amelia spürte einen Stich im Herzen. Cornelia war gar nicht ihretwillen auf den Landsitz gekommen, sondern um in der Nähe ihres Vaters zu sein, wenn er aus Ägypten zurückkam. »Ich habe Nachricht nach Ostia gesandt«, sagte Amelia. »Sobald sein Schiff anlegt, wird er sie erhalten.«
    Cornelia wandte sich von der Mutter ab und winkte ihre Schwester und Schwägerin herbei. Die jungen Frauen umringten sie und drängten Amelia aus dem Kreis. Sie protestierte nicht. Amelia war vor Jahren schon aus dem Familienkreis ausgeschlossen worden, nachdem ihr Kummer sie zu einer unverzeihlichen Dummheit getrieben hatte. Kleine Mädchen, die sie einst verehrt hatten und ihr wie ein Schatten gefolgt waren, hatten ihr den Rücken gekehrt, weil sie sie nicht mehr für verehrungswürdig hielten. Ja!, wollte sie hinausschreien, wie sie es seit sechs Jahren hatte tun wollen. Ich habe Ehebruch begangen. Ich habe Trost in den Armen eines anderen Mannes gesucht. Aber nicht aus Verlangen nach Sex oder Liebe – der Kummer hat mich getrieben, weil mein Kind als Krüppel geboren wurde und mein Mann es weggeworfen hat! Doch der Schrei blieb stumm – es interessierte niemanden, warum Amelia mit einem anderen Mann geschlafen hatte, nur dass sie es getan hatte –

    und Amelia blieb nichts weiter übrig, als mit gefalteten Händen die Arbeit der Hebamme zu verfolgen. Die Frau hatte den Geburtskanal mit Gänsefett eingeschmiert, und doch wollte das Baby nicht kommen. Also zog sie jetzt eine lange weiße Feder aus ihrem Beutel, beugte sich über die werdende Mutter

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