Kristin Lavranstochter 1
sagte sie, stand auf und ging hinaus.
Björn Gunnarssohn hörte den Bericht seiner Frau an, ohne eine Miene zu verziehen und ohne seine Blicke von Erlend abzuwenden.
„Björn“, sagte Aashild verzweifelt. „Es muß einer beschwören, daß er sah, wie sie selbst Hand an sich legte."
Langsam dunkelte in Björns Augen Leben auf; er sah seine Frau an, und sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln.
„Du meinst, dieser eine soll ich sein?“
Frau Aashild schlang ihre Finger ineinander und hob die Hände zu ihm auf.
„Björn, du weißt, was es für diese beiden gilt..."
„Und da meinst du, mit mir sei es so und so aus?“ fragte er langsam. „Oder meinst du, es sei noch so viel übrig von jenem Mann, der ich einmal war, daß ich wagen würde, falsch zu schwören, um den Jungen vor dem Untergang zu bewahren? Ich, der selbst hinuntergetreten wurde - damals, vor allen diesen Jahren. Hinuntergetreten, sage ich“, wiederholte er.
„Das sagst du, weil ich jetzt alt bin“, flüsterte Aashild.
Kristin brach in so lautes Weinen aus, daß es durch die Stube gellte. Sie hatte im Winkel bei Aashilds Bett gesessen, steif und still. Nun begann sie überlaut zu weinen. Es war, als hätte Frau Aashilds Stimme ihr Herz aufgerissen - es war beschwert gewesen von Erinnerungen an die Süßigkeit der Liebe -, als ließe erst diese Stimme Kristin ganz erfassen, was ihre und Erlends Liebe gewesen war. Die Erinnerung an ein heißes und heftiges Glück überspülte alles andere, spülte den harten Haß der Verzweiflung dieser letzten Nacht hinweg. Sie wußte nur noch von ihrer Liebe und von ihrem Willen, auszuharren.
Sie blickten alle drei nach ihr hin. Da trat Herr Björn zu ihr, faßte sie unter das Kinn und sah auf sie hinab.
„Sagst du, Kristin, daß sie es selbst tat?“
„Es ist jedes Wort wahr, das Ihr gehört habt“, sagte Kristin fest. „Wir bedrohten sie, bis sie es tat.“
„Sie hatte Kristin ein schlimmeres Schicksal zugedacht“, sagte Aashild.
Herr Björn ließ das Mädchen los. Er ging zur Leiche hin, hob sie auf das Bett, wo Eline die Nacht zuvor geschlafen hatte, und legte sie dicht an die Wand, dann breitete er die Decken sorgsam darüber.
„Jon und den Knecht, den du nicht kennst, mußt du nach Husaby heimsenden mit dem Bescheid, daß Eline dich nach Süden begleitet. Laß sie zur Mittagszeit wegreiten. Sag, daß die Frauen hier schlafen; sie sollen im Küchenhaus essen. Dann magst du mit Ulv und Haftor sprechen. Hat sie schon früher damit gedroht, so etwas zu tun? Dann könntest du Zeugen anführen, wenn danach gefragt werden sollte.“
„Jeder Mensch, der in den letzten Jahren, die wir zusammen gelebt haben, auf dem Hof gewesen ist“, sagte Erlend müde, „kann bezeugen, daß sie drohte, sich selbst zu entleiben - und auch mich zu töten, wenn ich davon sprach, daß ich mich von ihr trennen wolle.“
Björn lachte barsch.
„Das dachte ich mir. Heute abend müssen wir sie zur Reise anziehen und in den Schlitten setzen. Du mußt dich neben sie
setzen.“
Erlends Körper schwankte, wie er so dastand.
„Das kann ich nicht.“
„Gott weiß, wieviel bei dir noch vom Manne übrig sein wird, wenn du noch zwanzig Jahre selbst für dich einstehen mußt“, sagte Björn. „Glaubst du, daß du wenigstens den Schlitten lenken kannst? Dann werde ich bei ihr sitzen. Wir müssen in der Nacht und auf unbegangenen Wegen fahren, bis wir in Fron unten sind. Bei dieser Kälte kann niemand wissen, wie lange sie tot ist. Wir fahren zu der Herberge der Mönche auf Roaldstad. Dort bezeugen wir beide, daß ihr hinten im Schlitten in einen Wortstreit geraten seid. Es ist beglaubigt, daß du nicht mehr mit ihr hast leben wollen, seit du vom Bann befreit wurdest, und daß du um ein Mädchen geworben hast, das dir ebenbürtig ist. Ulv und Haftor müssen sich auf dem ganzen Wege von uns fernhalten, damit sie, wenn es notwendig sein sollte, schwören können, daß Eline noch am Leben war, als sie sie das letztemal sahen. Das kannst du wohl bei ihnen erreichen? Bei den Mönchen kannst du sie in den Sarg legen - und dann mußt du mit den Priestern um ihren Grabesfrieden und um Seelenfrieden für dich selbst handeln.
Ja, das ist nicht schön. Aber du hast es nicht so gemacht, daß es schöner werden kann. Steh nicht da wie eine Kindsmutter, die in Ohnmacht fällt. Gott steh dir bei, Junge, dir hat das Messer bisher wohl noch nicht an der Gurgel gesessen.“
Vom Gebirge herunter wehte ein beißender Wind -
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