Kristin Lavranstochter 1
von den Schneewächten rauchte es fein und silberblank gegen die mondblaue Luft, als die Männer wegfuhren.
Sie hatten zwei Pferde voreinandergespannt. Erlend saß vorne auf dem Schlitten. Kristin trat zu ihm hin.
„Diesmal, Erlend, mußt du versuchen, mir Botschaft zu senden, wie diese Fahrt gegangen ist und was aus dir wird.“
Er preßte ihre Hand so fest, daß sie glaubte, das Blut müsse ihr bei den Nägeln herausspringen.
„Wagst du immer noch an mir festzuhalten, Kristin?“
„Ja, immer noch“, sagte sie, und kurz darauf: „An dieser Tat tragen wir beide Schuld - ich reizte dich auf, denn ich wollte ihren Tod.“
Frau Aashild und Kristin blickten dem Gefährt nach. Der Schlitten glitt über die Schneewächten auf und nieder. Er verschwand in einer Senkung - kam weiter unten auf einer weißen Fläche wieder zum Vorschein. Dann aber fuhren die Männer in den Schatten einer Anhöhe hinein und verschwanden ganz.
Die beiden Frauen saßen vor dem Herd, den Rücken gegen das leere Bett gewandt, aus dem Frau Aashild die Decken und das Stroh entfernt hatte. Sie fühlten beide, wie leer es hinter ihnen gähnte.
„Willst du, daß wir heute nacht im Küchenhaus schlafen?“ unterbrach Frau Aashild das Schweigen.
„Es ist wohl gleichgültig, wo wir uns hinlegen“, meinte Kristin.
Frau Aashild ging hinaus und hielt Ausschau nach dem Wetter.
„Ja, wenn Sturm oder Tauwetter eintritt, dann gelangen sie nicht weit, bis es aufkommt“, sagte Kristin.
„Hier auf Haugen bläst es immer“, antwortete Frau Aashild. „Das ist hier kein Zeichen für einen Wetterumschlag.“
Dann saßen sie wie vorher.
„Du darfst nicht vergessen“, sagte Frau Aashild einmal, „welches Schicksal sie euch zugedacht hatte.“
Kristin antwortete leise:
„Ich denke daran, daß ich an ihrer Stelle vielleicht das gleiche gewollt hätte.“
„Niemals hättest du die Schuld daran auf dich nehmen mögen, daß ein anderer Mensch aussätzig geworden wäre“, sagte Frau Aashild heftig.
„Erinnerst du dich, Muhme, du sagtest einmal zu mir: es sei gut, wenn man das nicht zu tun wage, was einen nicht schön dünkt. Aber es sei nicht so gut, wenn einen etwas nicht schön dünkt, weil man es nicht zu tun wagt.“
„Du würdest es um der Sünde willen nicht tun“, sagte Frau Aashild.
„Nein, das glaube ich nicht“, erwiderte Kristin. „Ich habe schon viel getan, von dem ich einstmals geglaubt hatte, ich würde es um der Sünde willen nicht wagen. Aber damals erkannte ich nicht, daß es eine Folge der Sünde ist, andere niedertreten zu müssen.“
„Erlend wollte mit seinem schlechten Leben aufhören, lange che er dich traf“, antwortete Aashild heftig. „Es war schon früher aus zwischen den beiden.“
„Ich weiß es“, sagte Kristin. „Aber Erlend hat ihr wohl nie Grund gegeben zu glauben, seine Vorsätze seien so fest, daß sie sie nicht erschüttern könnte.“
„Kristin“, bat Frau Aashild, „du willst doch wohl nicht jetzt von Erlend lassen. Jetzt kann euch niemand schützen, wenn ihr euch nicht gegenseitig schützt.“
„So würde wohl kaum ein Priester raten“, sagte Kristin und lächelte kalt. „Aber ich weiß, daß ich nicht von Erlend lassen werde — und wenn ich meinen eigenen Vater niedertreten müßte.“
Frau Aashild erhob sich.
„Wir können ebensogut eine Arbeit vornehmen, wie so dasitzen“, sagte sie. „Es wäre ja doch ein eitles Beginnen, wenn wir uns schlafen legten.“
Sie holte das Butterfaß aus der Milchkammer, trug einige Gefäße mit Milch herein, leerte sie um und wollte buttern.
„Laß mich das tun“, bat Kristin. „Ich habe einen jüngeren Rücken.“
Sie arbeiteten, ohne miteinander zu sprechen; Kristin stand an der Türe zur Milchkammer und butterte, und Aashild kämmte Wolle beim Herd. Erst nachdem Kristin ausgebuttert hatte und die Butter kneten wollte, fragte sie plötzlich:
„Muhme Aashild - habt Ihr niemals Angst vor dem Tag, an dem Ihr vor Gottes Richterstuhl stehen müßt?“
Frau Aashild stand auf, ging zu Kristin und blieb vor ihr im Licht stehen.
„Vielleicht habe ich den Mut, den, der mich so geschaffen hat, wie ich bin, zu fragen, ob er sich meiner erbarmen will, wenn die Zeit gekommen ist. Denn ich habe nie um seine Barmherzigkeit gebeten, als ich gegen sein Gebot handelte. Und nie habe ich Gott oder Menschen gebeten, mir einen Deut von der Buße nachzulassen, die ich auf dieser Erde schuldig wurde.“
Kurz darauf sagte sie leise:
„Munan, mein
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