Kristin Lavranstochter 1
Kristin hinüber - lächelte ein wenig und nickte. Sah dann wieder Erlend an.
„Das ist zehn Jahre her, Eline“, fuhr Erlend fort. „Seitdem haben wir jahraus, jahrein wie zwei Verdammte in der Hölle
gelebt.“
„Wohl nicht nur das!“ sagte sie mit dem gleichen Lächeln.
„Es sind Jahre und Jahre her, seit es anders war“, sagte Erlend zermürbt. „Den Kindern kann es nichts nützen. Und du weißt - du weißt, daß ich es kaum mehr ertrage, mit dir in einer Stube zu sein !“ Er schrie es fast.
„Davon merkte ich nichts, als du diesen Sommer daheim warst“, sagte Eline mit einem vielsagenden Lächeln. „Da waren wir einander nicht feind - nicht immer.“
„Wenn du Freundschaft so auslegst, dann meinethalben“, gab Erlend müde zu.
„Wollt ihr hier stehen bleiben?“ warf Frau Aashild ein. Sie schöpfte die Grütze in zwei große Holzschüsseln und gab Kristin die eine davon. Das Mädchen nahm sie in Empfang. „Geht hinüber damit - du, Ulv, nimm die andere, stellt sie auf den Tisch; ein Nachtmahl müssen wir haben, verhalte es sich nun so oder so.“
Kristin und Ulv gingen mit den Schüsseln. Frau Aashild wandte sich zu den beiden anderen.
„Kommt ihr nun auch; es hat wenig Sinn, daß ihr hier steht und einander ankeift.“
„Es ist besser, Eline und ich sprechen uns jetzt aus“, meinte Erlend.
Da erwiderte Frau Aashild nichts mehr, sondern ging.
Drüben in der Stube hatte Kristin den Tisch gedeckt und Bier aus dem Keller geholt. Sie saß auf der äußeren Bank, aufrecht wie eine Kerze und mit ruhigem Gesicht, aber sie aß nicht. Auch die anderen hatten keine große Lust, zu essen, weder Björn noch Erlends Leute. Nur der Mann, der mit Eline gekommen war, und Björns Knecht aßen. Frau Aashild setzte sich hin und nahm ein wenig von der Grütze. Niemand sprach ein Wort.
Endlich kam Eline Ormstochter allein herein. Frau Aashild bot ihr einen Platz zwischen Kristin und sich selbst an. Eline setzte sich und aß ein wenig. Ab und zu flog es wie der Widerschein eines versteckten Lächelns über ihr Gesicht, und sie schielte zu Kristin hinüber.
Nach einer Weile ging Aashild ins Küchenhaus.
Das Feuer auf dem Herd war fast niedergebrannt. Erlend saß auf dem Dreifuß davor, zusammengekrümmt, den Kopf auf den Armen.
Frau Aashild ging zu ihm hin und legte die Hand auf seine Schulter.
„Gott verzeih dir, Erlend, was hast du da angerichtet!“
Erlend blickte auf, sein Gesicht war von Elend entstellt.
„Sie erwartet ein Kind“, sagte er und schloß die Augen.
Frau Aashilds Gesicht flammte auf, sie drückte seine Schulter hart.
„Welche von ihnen?“ fragte sie rauh und höhnisch.
„Ja, meines ist es nicht“, sagte Erlend, erloschen wie zuvor. „Aber du wirst es mir wohl kaum glauben - das wird wohl niemand ..." Er sank wieder zusammen.
Frau Aashild setzte sich vor ihn auf den Rand der Feuerstätte.
„Du mußt nun versuchen, dich zu ermannen, Erlend. Es ist nicht so leicht, dir in dieser Sache zu glauben. Kannst du darauf schwören, daß es nicht das deine ist?“
Erlend hob sein verstörtes Gesicht.
„So wahr ich der Barmherzigkeit Gottes bedarf. So wahr ich hoffe, daß - daß Gott meine Mutter da oben getröstet hat für all das, was sie hier auf Erden hat erdulden müssen: ich habe Eline nicht mehr berührt, seit ich Kristin zum erstenmal gesehen habe!“ Er schrie es, so daß Frau Aashild ihn zurückdämmen mußte.
„Dann verstehe ich nicht, daß dies solch ein Unglück sein soll. Du mußt herausfinden, wer der Vater ist, und ihn kaufen, damit er sie heiratet.“
„Ich denke, es ist Gissur Arnfinssohn, mein Verwalter auf Husaby“, sagte Erlend müde. „Wir sprachen im vorigen Herbst darüber - und später auch. Sigurds Tod wurde ja schon seit einiger Zeit erwartet. Er war bereit, sie zu heiraten, sobald sie Witwe würde, wenn ich ihr eine angemessene Mitgift geben wollte.“
„Ja“, sagte Frau Aashild. Erlend fuhr fort:
„Sie beteuert hoch und heilig, sie wolle ihn nicht haben. Sie will mich als Vater angeben. Wenn ich mich freischwören würde - meinst du, man würde etwas anderes glauben, als daß ich falsch schwöre?“
„Du mußt sie davon abbringen können“, sagte Frau Aashild. „Es gibt nun keinen anderen Ausweg, als daß du noch morgen mit ihr nach Husaby heimfährst. Und dann mußt du hart sein und fest und diese Heirat mit deinem Verwalter und Eline in Ordnung bringen.“
„Ja“, sagte Erlend. Dann warf er sich vornüber und schluchzte
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