Kristin Lavranstochter 1
ältester Sohn, war zwanzig Jahre alt. Damals war er nicht so, wie er jetzt ist. Sie waren nicht so, damals, meine Kinder...“
Kristin erwiderte still:
„Ihr habt doch alle diese Jahre hindurch Tag und Nacht Herrn Björn an Eurer Seite gehabt.“
„Ja - auch das habe ich gehabt“, sagte Aashild.
Kurz darauf war Kristin mit Buttern fertig. Frau Aashild meinte, sie sollten nun versuchen, ein wenig zu schlafen.
Drinnen in dem dunklen Bett legte sie ihren Arm um Kristins Schulter und zog den jungen Kopf an sich. Und es dauerte nicht lange, bis sie an den gleichmäßigen und stillen Atemzügen hörte, daß Kristin eingeschlafen war.
4
Der Frost hielt an. In jedem Stall des ganzen Tales klagten und brüllten die hungrigen Tiere und litten unter der Kälte. Und die Leute sparten schon jetzt aufs äußerste am Futter.
In diesem Jahr gab es keine großen Gastereien zu Weihnachten, man hielt sich daheim, jeder bei sich.
Um Weihnachten herum nahm die Kälte zu - es schien, als sei jeder Tag kälter als der vorhergehende. Die Leute konnten sich kaum an einen so harten Winter erinnern - es fiel auch kein Schnee mehr, selbst nicht drinnen im Gebirge, sondern der Schnee, der um die Zeit der Klemensmesse gefallen war, fror hart wie Stein. Die Sonne schien jetzt, da die Tage Zunahmen, von einem klaren Himmel herab. In den Nächten sprühten und flackerten die Windlichter über den Bergkämmen im Norden, sie flackerten über den halben Himmel - doch sie brachten keinen Wetterumschlag, ab und zu konnte es einen Tag lang bewölkt sein, es taumelte ein wenig trockener Schnee durch die Luft herab, und dann war wieder klares Wetter und brennende Kälte. Der Fluß murrte und gluckste träge unter den Eisbrücken.
Jeden Morgen dachte Kristin, nun vermöchte sie nicht mehr, nun halte sie den Tag nicht mehr bis zu Ende aus. Denn jeder Tag war ihr wie ein Zweikampf mit dem Vater. Und sollten sie jetzt so gegeneinanderstehen, da jedes lebende Wesen, Mensch wie Tier, in allen Gemeinden unter einer gemeinsamen Prüfung litt?
Wenn aber der Abend kam, hatte sie dennoch ausgehalten.
Der Vater war nicht unfreundlich. Sie sprachen nie über das, was zwischen ihnen lag. Aber sie fühlte hinter allem, was er nicht sagte, daß er unbeugsam fest entschlossen war, auf seiner Weigerung zu beharren. Und in ihr brannte die Entbehrung, die Sehnsucht nach seiner Freundschaft. Das tat so entsetzlich weh, denn sie wußte, wieviel anderes der Vater zu tragen hatte und daß er, wäre es so gewesen wie früher, mit ihr darüber gesprochen hätte.
Sie waren zwar auf Jörundhof besser geborgen als auf den meisten übrigen Höfen, aber auch hier fühlten sie das Mißjahr an jedem Tag und zu jeder Stunde. Sonst pflegte Lavrans im Winter seine jungen Pferde abzurichten, dieses Jahr aber hatte er sie im Herbst alle südlich im Lande verkauft. Und die Tochter vermißte es, seine Stimme draußen auf dem Hofplatz zu hören und ihn mit den schlanken, zottigen Zweijährigen sich in jenem Spiel herumtummeln zu sehen, das er so sehr liebte. Zwar waren Scheunen und Vorratshäuser des Hofes noch von der Ernte des vorigen Jahres nicht ganz leer gewesen, aber nach Jörundhof kamen viele Leute und baten um Hilfe, gegen Entgelt oder als Gabe, und keiner bat vergebens.
Eines Abends spät kam ein ganz alter, in Pelz gekleideter Mann auf Skiern. Lavrans sprach mit ihm draußen auf dem Hofplatz, und Halvdan trug ihm das Essen in die Feuerstube. Niemand auf dem Hofe wußte, wer er war - man vermutete in ihm einen von jenen Leuten, die drinnen in den Bergen lebten; vielleicht war Lavrans dort mit ihm zusammengekommen. Aber der Vater erwähnte nichts von dem Besuch und ebensowenig Halvdan.
Und eines Abends kam ein Mann, der mit Lavrans Björgulvssohn viele Jahre lang in Unfrieden gelebt hatte. Lavrans ging mit ihm ins Vorratshaus. Aber als er wieder in die Stube kam, sagte er heftig zu Ragnfrid:
„Alle suchen sie Hilfe bei mir. Hier auf meinem Hofe aber sind alle gegen mich. Du auch, Weib.“
Da fuhr die Mutter Kristin an:
„Hörst du, was dein Vater zu mir sagt! Ich bin nicht gegen dich, Lavrans. Du weißt es ja auch, du, Kristin, was hier südlich auf Roaldstad im Spätherbst geschah, als er in Begleitung des anderen Hurenkerls, seines Verwandten von Haugen, durch das Tal hinunterfuhr - sie nahm sich das Leben, das unselige Weib, das er von allen ihren Verwandten weggelockt hatte.“
Starr und hart antwortete Kristin:
„Ich merke, daß ihr ihm die Jahre, in denen
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