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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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werden könnten. Der Abt hatte sich der Verwandtschaft erinnert. „Dessen erinnern sie sich nun alle“, sagte Erlend lächelnd. Die Unzufriedenheit des Schwiegervaters schien ihn nicht im geringsten zu berühren.
    Man einigte sich dann doch darauf, daß Erlend einen Wagen geliehen bekommen und eine Last von jenen Sachen wegfahren sollte, die Kristin am notwendigsten brauchte, wenn sie in ihr neues Heim einziehen würde. - Am Tag darauf waren sie eifrig mit dem Einpacken beschäftigt. Der große und der kleine Webstuhl, meinte die Mutter, könnten jetzt wegkommen - sie würde vor der Hochzeit wohl kaum mehr Zeit haben zu weben. Ragnfrid und die Tochter schnitten das Gewebe ab, das darauf befestigt war. Es war ungefärbter Fries, aber aus dem feinsten weichsten Gewebe, mit eingesponnenen Noppen von schwarzer Wolle, die ein regelmäßiges Sprenkelmuster bildeten. Kristin und die Mutter rollten den Stoff zusammen und legten ihn in den Fellsack. Kristin dachte, dies eigne sich gut als Windeltuch - es würde sich auch schön ausnehmen, wenn man rote oder blaue Bänder daraufsetzte.
    Auch der Nähtisch, den Arne einmal verfertigt hatte, konnte mitgegeben werden. Kristin nahm alles aus dem Schrein, was sie so nach und nach von Erlend erhalten hatte. Sie zeigte der Mutter den blauen Samtumhang mit rotem Muster, den sie auf ihrem Brautritt tragen sollte. Die Mutter drehte und wendete ihn und befühlte den Stoff und das Pelzfutter.
    „Das ist ein sehr kostbarer Umhang“, sagte Ragnfrid. „Wann gab dir Erlend den?“
    „Den gab er mir, als ich in Nonneseter war“, erwiderte die Tochter.
    Kristins Brauttruhe, in der die Mutter alles gesammelt hatte, schon als das Mädchen noch klein war, wurde umgepackt. Sie war mit Feldern geziert, und in jedes Feld war ein springendes Tier oder ein Vogel zwischen Laub hineingeschnitzt. Das Brautkleid legte Ragnfrid in eine ihrer eigenen Truhen. Es war nicht ganz fertig, sie hatten im Winter daran genäht. Es war aus scharlachroter Seide und so geschnitten, daß es sehr straff am Körper anliegen sollte. Kristin dachte, nun würde es ihr über der Brust zu eng werden.
    Gegen Abend lag die Last fertig und verschnürt unter dem Wagendach. Erlend sollte früh am nächsten Morgen aufbrechen.
    Er stand neben Kristin und lehnte sich über den Hofzaun, blickte nach Norden, wo eine schwarze Gewitterwolke das Tal füllte. Donner rollte in den Bergen - aber nach Süden zu lagen die Wiesen und der Fluß in stechendem gelbem Sonnenlicht.
    „Erinnerst du dich an das Gewitter damals im Walde bei Gerdarud?“ fragte er leise und spielte mit ihren Fingern.
    Kristin nickte und versuchte zu lächeln. Die Luft war so schwer und schwül - ihr Kopf schmerzte, und sie schwitzte bei jedem Atemzug.
    Lavrans trat zu den beiden am Zaun und sprach vom Wetter. Es pflegte nur selten Schaden anzurichten, hier unten im Tale -aber Gott mochte wissen, ob man nicht von verunglückten Rindern und Pferden oben im Gebirge hören würde.
    Über der Kirche auf dem Hügel war es schwarz wie die Nacht. Ein Blitz ließ eine Schar von Pferden erkennen, die zusammengedrängt und unruhig auf der Wiese vor dem Kirchhofszaun standen. Lavrans glaubte nicht, daß sie hierher ins Tal gehörten - es seien eher Pferde von Dovre, die oben unterhalb Jetta in den Bergen geweidet hatten; er wolle doch hinaufgehen und nach ihnen schauen, rief er durch das Dröhnen des Donners, ob vielleicht einige von seinen Pferden darunter wären.
    Ein entsetzlicher Blitz zerriß die Dunkelheit dort oben - der Donner krachte, so daß man nicht einen Laut verstehen konnte. Die Pferde sprengten über die Wiesen unterhalb der Berghänge dahin. Die drei Menschen bekreuzigten sich.
    Da kam noch ein Blitz; es war, als öffne sich der Himmel über ihnen, eine gewaltige schneeweiße Feuerschlange zischte auf sie herab - die drei wurden gegeneinandergeworfen, sie standen mit geschlossenen, geblendeten Augen da und verspürten einen Geruch wie von verbranntem Stein, und das Krachen des Donners zersprengte ihnen fast die Ohren.
    „Sankt Olav, hilf uns“, sagte Lavrans leise. „Seht die Birke! Seht die Birke!“ rief Erlend.
    Die hohe Birke schien zu wanken - dann löste sich ein großer Ast und sank zur Erde, einen langen Fetzen aus dem Stamm reißend
    „Ich glaube, es brennt... Jesus Christus! Es brennt im Kirchendach“, rief Lavrans.
    Sie standen und starrten hinüber - nein - doch! Rote Flammen züngelten zwischen den Schindeln unter dem Dachreiter

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