Kristin Lavranstochter 1
wie man die Kirche von neuem aufbauen könnte.
Kristin suchte Sira Eirik auf Romundhof auf, ehe er zum Thing gehen wollte. Sie fragte den Priester, ob er meine, daß sie das als ein Zeichen nehmen müsse. Vielleicht sei es Gottes Wille, daß sie ihrem Vater sage, wie unwürdig sie sei, unter der Brautkrone zu gehen; es gezieme sich besser, sie ohne Ehrenfest Erlend Nikulaussohn zur Ehefrau zu geben. Aber Sira Eirik fuhr sie an, seine Augen sprühten vor Zorn:
„Glaubst du, Gott kümmert sich so viel darum, wie ihr Hündinnen herumstreunt und euch wegwerft, daß er um deinetwillen eine schöne, ehrenvolle Kirche zusammenbrennen lassen sollte! Laß du deinen Hochmut fahren und mache deiner Mutter und Lavrans nicht eine Sorge, über die sie nur schwer hinwegkommen würden. Trägst du die Krone nicht in Ehren an deinem Ehrentag - so ist das schlimm für dich, aber desto mehr habt ihr, du und Erlend, die kirchliche Weihe nötig, wenn ihr zusammengegeben werdet. Ein jeder muß für seine Sünden einstehen; deshalb ist wohl dieses Unglück über uns alle gekommen. Versuche deinen Lebenswandel zu bessern und helft diese Kirche hier wiederaufzubauen, du und auch Erlend.“
Kristin dachte, sie habe es ja noch nicht gesagt, dieses letzte, was hinzugekommen war - aber sie gab sich damit zufrieden.
Sie ging mit den Männern zum Thing. Lavrans trug den Arm in einer Schlinge, und Erlend hatte viele Brandwunden im Gesicht; er sah schlimm aus, aber er lachte darüber. Keine der Wunden war groß, und er sagte, er hoffe, sie würden ihn an seinem Hochzeitstag nicht mehr entstellen. Er stand nach Lavrans auf und gelobte, vier Mark Silber für die Kirche zu stiften und im Namen seiner Braut, mit Lavrans’ Zustimmung, ein Stück Land von Kristins Äckern in der Gemeinde.
Erlend mußte wegen seiner Wunden eine Woche auf Jörundhof bleiben. Es dünkte Kristin, Lavrans könne seinen Schwiegersohn seit jener Brandnacht besser leiden; die Männer schienen nun gute Freunde zu sein. Da dachte sie, vielleicht würde der Vater Erlend Nikulaussohn noch so liebgewinnen, daß er es nachsichtig beurteilen und es nicht so schwernehmen würde, wie sie befürchtet hatte, wenn die Zeit käme, da er merken mußte, daß sie sich gegen ihn vergangen hatten.
8
Dieses Jahr war ein ungewöhnlich gutes Jahr im ganzen nördlichen Teil des Tales. Es gab viel Heu, und alles kam trocken unter Dach, von den Almen kehrten die Leute mit großen Vorräten und fettem Vieh heim - und sie waren in diesem Jahr von Raubtieren gnädig verschont geblieben. Das Getreide stand so schön, daß nur wenige Menschen sich erinnern konnten, es schöner gesehen zu haben - die Ähren reiften gut aus und waren reich an Körnern, und das Wetter war das allerbeste. Zwischen der Bartholomäusmesse und Mariä Geburt, in jener Zeit, in der man die Frostnächte am ehesten zu befürchten hatte, regnete es ein wenig und war milde und bewölkt, danach aber kam der Herbstmonat mit Sonne und Wind und mit milden, dunstigen Nächten. In der Woche nach der Mikalsmesse war das Getreide im ganzen Tal eingebracht.
Auf Jörundhof schafften sie und bereiteten sich zur großen Hochzeit vor. Die letzten zwei Monate hatte Kristin jeden Tag von früh bis spät so viel zu tun gehabt, daß ihr nur wenig Zeit geblieben war, sich um anderes als die Arbeit zu bekümmern. Sie sah, daß sie breit über der Brust wurde, die kleinen hellroten Brustwarzen färbten sich braun und schmerzten wie Wunden, jeden Morgen, wenn sie in die Kälte hinaus mußte - aber es verging, wenn sie sich warm gearbeitet hatte, und dann dachte sie nur noch daran, was sie alles bis zum Abend getan haben sollte. Wenn sie den Rücken manchmal aufrichten und sich ausruhen mußte, fühlte sie, daß es schwerer wurde, das, was sie im Schöße trug - aber sie war immer noch schmal und schlank anzusehen. Sie strich mit den Händen über ihre langen feinen Hüften hinunter. Nein, sie mochte sich jetzt keine Sorgen darüber machen. Es konnte sie überkommen, daß sie mit einer leise zehrenden Sehnsucht dachte: in einem Monat ungefähr würde sie wohl das Leben spüren. Dann war sie auf Husaby. Vielleicht freute sich Erlend. Sie schloß die Augen und biß in ihren Verlobungsring - sah Erlends Gesicht vor sich, bleich vor Erregung, wie er oben in der großen Stube gestanden und mit lauter und klarer Stimme die Verlobungsworte gesprochen hatte:
„So seien denn Gott und diese Männer, die hier stehen, meine Zeugen, daß ich, Erlend
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