Kristin Lavranstochter 1
empor.
Beide Männer setzten in großen Sprüngen über den Hofplatz. Lavrans riß alle Türen auf und schrie hinein; die Leute strömten heraus.
„Nehmt Äxte, nehmt Äxte - die großen Äxte“, rief er, „und Hacken!“ Er rannte vorbei zum Stall. Gleich darauf kam er heraus, Guldsvein an der Mähne, er schwang sich auf das ungesattelte Pferd und sprengte nordwärts, das große Beil in der Hand. Erlend ritt gleich hinterher - alle Männer folgten. Etliche waren zu Pferd, aber einige konnten die erschrockenen Tiere nicht bändigen, gaben es auf und liefen hinterher. Zum Schluß kamen Ragnfrid und die Mägde des Hofes mit Bottichen und Eimern.
Niemand schien mehr das Unwetter zu fühlen. Im Licht der Blitze sah man die Menschen aus den Häusern weiter unten im Tale strömen. Sira Eirik lief schon oben den Hügel hinauf, gefolgt von seinen Leuten. Es donnerte von Pferdehufen unten auf der Brücke - ein paar Männer sprengten vorbei; sie wandten die entsetzten weißen Gesichter ihrer brennenden Kirche zu.
Es ging ein leichter Wind von Südosten. Das Feuer hatte die Nordwand schon stark erfaßt; im Westen war die Eingangstüre bereits unzugänglich. Aber die Südseite und der Chor waren noch nicht ergriffen.
Kristin und die Frauen von Jörundhof gelangten südlich von der Kirche auf den Friedhof, an einer Stelle, wo der Zaun niedergebrochen war. Der gewaltige rote Schein beleuchtete den Wald nördlich der Kirche und den Platz mit den Balken, die zum Anbinden der Pferde dienten. Dorthin konnte der Hitze wegen niemand kommen - das Kreuz stand dort allein, in Flammen gebadet. Es sah aus, als lebe es und rühre sich.
Durch das Knattern und Zischen des Feuers klang das Dröhnen der Äxte gegen die Balken der Südwand. Im Rundgang standen Männer, die hieben und hämmerten drauflos, während andere versuchten, den Rundgang selbst einzureißen. Einige riefen den Frauen von Jörundhof zu, Lavrans und noch ein paar Männer seien Sira Eirik in die Kirche gefolgt. Sie müßten versuchen, eine Öffnung in die Wand zu brechen; es leckten kleine Feuerzungen auch hier zwischen den Schindeln auf dem Dache. Wenn der Wind sich drehte oder sich legte, dann würde das Feuer die ganze Kirche umfassen.
An Löschen zu denken war unnütz; es war keine Zeit, eine Kette bis zum Fluß hinunter zu bilden, aber auf Ragnfrids Geheiß stellten sich die Frauen auf und reichten Wasser aus dem kleinen Bach, der westlich am Wege entlanglief - so konnten sie wenigstens die Südwand und die Männer, die dort arbeiteten, besprengen. Sie schluchzten laut, viele der Frauen, vor Spannung und aus Angst um die Leute, die in das brennende Gebäude gedrungen waren, und vor Kummer über ihre Kirche.
Kristin stand ganz vorn in der Frauenkette und reichte die Eimer - sie starrte atemlos auf die Kirche, in der die Männer arbeiteten, der Vater und gewiß auch Erlend.
Die Säulen des Rundganges lagen niedergerissen in einem Durcheinander von Balken und Schindeln des Daches. Die Männer rannten mit aller Macht gegen die Balkenwand an -eine ganze Schar hatte einen Stamm aufgehoben und rammte die Wand.
Erlend und einer seiner Leute kamen durch die kleine Tür südlich beim Chor heraus; sie trugen zwischen sich die große Truhe aus der Sakristei - jene, auf der Eirik zu sitzen pflegte, wenn er die Beichte abnahm. Erlend und der Mann zerrten die Truhe auf den Kirchhof hinaus. Kristin hörte nicht, was er rief, als er wieder in den Rundgang zurücklief. Er war geschmeidig wie eine Katze, wie er so sprang - seine Überkleider hatte er abgeworfen und war nur in Hemd, Hose und Strümpfen.
Die anderen nahmen seinen Ruf auf - es brannte in der Sakristei und im Chor; keiner konnte mehr vom Langschiff aus zur Südtür gelangen, das Feuer versperrte jetzt beide Ausgänge. Ein paar Stämme in der Wand waren bereits zersplittert, Erlend hatte einen Brandhaken erfaßt, riß und zerrte an den Balken - es gelang ihnen, eine Öffnung in die Wand zu brechen, während andere schrien, sie sollten achtgeben, das Dach könne über denen, die drinnen seien, einstürzen; das Schindeldach brannte jetzt auch auf dieser Seite heftig, und die Hitze wurde immer unerträglicher.
Erlend stieg durch die Öffnung hinein und half Sira Eirik heraus. Der Priester trug im Schoß seines Gewandes die heiligen Gefäße des Altars.
Ein junger Bursche folgte ihnen, die Hand über dem Gesicht und das hohe Prozessionskreuz vor sich her schiebend. Lavrans kam nach. Er hielt des Rauches wegen die
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