Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
Vom Netzwerk:
Augen geschlossen und wankte unter dem schweren Kruzifix, das er in den Armen hielt; es war viel höher als der Mann selbst.
    Die Leute sprangen hinzu und halfen ihnen auf die Erde herunter. Sira Eirik stolperte, fiel in die Knie, und die Altargefäße rollten den Hang hinunter. Die silberne Taube sprang auf, und die Hostie fiel heraus - der Priester hob sie auf, wischte sie ab, während er laut schluchzte; er küßte den vergoldeten Männerkopf, der über dem Altar gestanden hatte und einige Haare und Nägel des Sankt Olav enthielt.
    Lavrans Björgulvssohn stand noch da und hielt das Kruzifix. Seine Arme lagen auf den Armen des Kreuzes, er beugte den Kopf auf die Schultern des Christusbildes; es sah aus, als neige der Erlöser sein schönes betrübtes Gesicht tröstend dem Manne zu.
    Auf der Nordseite der Kirche stürzte das Dach nun stückweise ein - ein brennender Balken wurde hinausgeschleudert und traf die große Glocke im Glockengestühl beim Kirchhofzaun. Die Glocke ertönte mit einem tiefen schluchzenden Laut, der in einem langen Stöhnen, übertönt vom Krachen des Feuers, dahinstarb.
    Niemand hatte unterdessen des Gewitters geachtet - es hatte nicht lange gedauert, aber auch das hatten die Leute wohl nicht bemerkt. Jetzt donnerte und blitzte es weit unten im Tale, der Regen, der seit einiger Zeit fiel, nahm zu, und der Wind legte sich.
    Aber plötzlich war es, als würde ein Segel von Flammen vom Grunde aus gehißt - ein Nu, und mit einem Aufheulen umspannte das Feuer die Kirche von einem Ende zum anderen.
    Die Leute stürzten vor der verzehrenden Hitze davon. Erlend war plötzlich an Kristins Seite und zog sie mit hinunter. Er roch verbrannt - sie hatte die Hand voller versengter Haare, als sie ihm über Kopf und Gesicht fuhr.
    Sie konnten bei dem Dröhnen des Brandes ihre Stimmen nicht hören. Aber Kristin sah, daß seine Augenbrauen bis zur Wurzel weggebrannt waren, er hatte Brandwunden im Gesicht, und auch sein Hemd hatte verbrannte Stellen. Lachend zog er sie mit sich, den anderen nach.
    Die Leute folgten dem weinenden alten Priester und Lavrans Björgulvssohn mit dem Kruzifix.
    Am Rande des Friedhofes stellte Lavrans das Kreuz ab und lehnte es an einen Baum; er sank auf die Trümmer des Zaunes nieder. Sira Eirik saß schon dort - er streckte die Arme nach der brennenden Kirche aus.
    „Leb wohl, leb wohl, du Olavskirche. Gott segne dich, du meine Olavskirche, Gott segne dich für jede Stunde, die ich in dir gesungen und die Messe gelesen habe - du Olavskirche, gute Nacht, gute Nacht..."
    Die Gemeinde weinte laut mit ihm. Der Regen strömte auf die Menschengruppen herab, aber niemand dachte ans Gehen. Es hatte nicht den Anschein, als könnte das Feuer in dem geteerten Holzwerk durch den Regen gedämpft werden - brennende Stücke und glutrote Schindeln wurden umhergeschleudert. Gleich darauf stürzte der Dachreiter in das Feuer hinab, und eine Garbe von Funken stieg gen Himmel.
    Lavrans saß da und hielt die eine Hand vor das Gesicht; der andere Arm lag auf seinen Knien, und Kristin sah, daß der Ärmel von der Schulter bis ganz hinunter blutig war, das Blut rann ihm über die Finger. Sie ging hin und berührte ihn.
    „Es wird nicht schlimm sein - irgend etwas fiel mir auf die Schulter“, sagte er und blickte auf. Er war weiß bis in die Lippen. „Ulvhild“, flüsterte er schmerzlich und blickte in das Flammenmeer.
    Sira Eirik hörte das und legte eine Hand auf seine Schulter.
    „Das weckt dein Kind nicht, Lavrans - Ulvhild schläft gleich gut, ob es auch über ihrer Ruhestätte brennt“, sagte er. „Sie hat das Heim ihrer Seele nicht verloren, so wie wir anderen heute abend.“
    Kristin barg ihr Gesicht an Erlends Brust - stand so da und fühlte seine Arme um ihre Schultern. Da hörte sie den Vater nach seinem Weib fragen. Einige antworteten, eine Frau habe vor Schrecken Kindswehen bekommen. Man habe sie in den Pfarrhof getragen, und Ragnfrid sei mitgegangen.
    Kristin erinnerte sich wieder dessen, was sie ganz vergessen hatte, seitdem sie gewahr geworden war, daß die Kirche brannte. Sie hätte sicher so etwas nicht sehen dürfen. Es lebte ein Mann südlich im Tale, der einen roten Fleck über das halbe Gesicht hatte; man erzählte, seine Mutter habe eine Feuersbrunst gesehen, als sie ihn trug. Liebe heilige Jungfrau Maria, betete sie innerlich, laß mein Kind keinen Schaden davon haben ...
    Am Tage darauf wurde ein Gemeindething auf dem Kirchenhügel einberufen - man wollte darüber beraten,

Weitere Kostenlose Bücher