Kristin Lavranstochter 1
hatte nie zuvor beachtet, daß er ein wenig nach auswärts ging, früher hatte sie nur gesehen, daß er lange schlanke Beine hatte, schmale Fußgelenke und kleine, wohlgeformte Füße.
Erlend war mit einer ganzen Schar gekommen: mit fünf Knechten und vier ledigen Pferden. Er erklärte Ragnfrid, er sei gekommen, um Kristins Hausrat zu holen - und es wäre doch behaglicher für sie, ihre Sachen auf Husaby vorzufinden, wenn sie dorthin käme. Und da die Hochzeit so spät im Herbst stattfinden solle, könne es schwierig werden, sie dann noch zu befördern - und zu Schiff könnte wohl gar etwas vom Seewasser verdorben werden. Nun hatte der Abt in Nidarholm ihm angeboten, daß er es mit dem Frachtschiff des Laurentiusklosters senden könne - sie erwarteten, daß dieses ungefähr um den Tag von Mariä Himmelfahrt von Veöy absegeln sollte. Deshalb war er gekommen, um den Hausrat durch das Raumstal zum Fjord hinüberzufrachten.
Er saß in der Tür des Küchenhauses, trank Bier und redete, während Ragnfrid und Kristin die Wildenten rupften, die Lavrans am Tage zuvor heimgebracht hatte. Mutter und Tochter waren allein daheim; die Mägde befanden sich auf der Wiese bei der Heuarbeit. Er sah so froh aus - war so zufrieden mit sich selbst, in einer so vernünftigen Angelegenheit hierhergekommen zu sein.
Die Mutter ging hinaus, und Kristin achtete auf den Spieß mit den Vögeln. Durch die offene Tür konnte sie die Leuteschar sehen, die dort im Schatten auf der anderen Seite des Hofes lag und den Bierkrug unter sich wandern ließ. Erlend saß auf der Türschwelle, schwätzte ein wenig und lachte - die Sonne schien gerade auf sein bloßes tiefschwarzes Haar; sie entdeckte einige graue Fäden darin. Ja, er war sicher bald zweiunddreißig Jahre - aber er gab sich wie ein ausgelassener Junge. Sie wußte, sie würde es nicht über sich bringen, ihm etwas von ihren Kümmernissen zu erzählen - früh genug, wenn er selbst es sah. Lachlustige Zärtlichkeit strömte über ihren kleinen bösen Zorn hinweg, strömte darüber hinweg wie ein glitzernder Fluß über die Steine des Grundes.
Sie liebte ihn über alles - das erfüllte ihr Gemüt, obwohl sie die ganze Zeit das andere sah und wußte. Wie wenig paßte dieser Hofmann in dem feinen roten Kittel, mit Silbersporen an den Füßen und dem goldgeschmückten Gürtel in die Erntegeschäftigkeit hier auf Jörundhof. Sie beachtete auch, daß der Vater nicht zum Hofe heimkam, obgleich die Mutter Ramborg zum Fluß hinuntergesandt und ihm hatte sagen lassen, welcher Gast gekommen war.
Erlend stand bei ihr dort und faßte sie um die Schultern.
„Kannst du es begreifen?“ sagte er strahlend. „Dünkt es dich nicht seltsam, daß es unsere Hochzeit ist, um derentwillen all diese Vorbereitungen getroffen werden?“
Kristin gab ihm einen Kuß und schob ihn zur Seite, goß Fett über die Vögel und bat ihn, nicht im Wege zu stehen. Nein, sie wollte es ihm nicht sagen.
Lavrans kam erst zum Abendessen auf den Hof heim - zusammen mit dem Gesinde. Er war nicht viel anders gekleidet als die Arbeitsleute und trug einen ungefärbten knielangen Frieskittel und eine bis zu den Knöcheln reichende Hose aus dem gleichen Stoff; er ging barfuß und trug die Sense über der Schulter. Das einzige, worin seine Kleidung sich von der des Gesindes unterschied, war ein Schulterkragen aus Leder für den Falken, der auf seiner linken Schulter saß. Er führte Ramborg an der Hand.
Lavrans begrüßte seinen Schwiegersohn recht herzlich und bat um Entschuldigung, weil er nicht eher gekommen war - sie mußten mit der Feldarbeit schaffen, was sie konnten, denn er selbst war gezwungen, zwischen der Heu- und der Getreide-ernte eine Reise nach der Handelsstadt zu machen. Als aber Erlend nach dem Essen sein Anliegen vorbrachte, wurde Lavrans ziemlich unzugänglich.
Jetzt Wagen und Pferde entbehren, das konnte er unmöglich. Erlend antwortete, er selbst habe vier ledige Pferde mitgebracht. Lavrans meinte, es würden mindestens drei Lasten werden. Außerdem müsse das Mädchen die Kleider noch hier-behalten. Und das Bettzeug, das Kristin mitbekommen solle, brauchten sie während der Hochzeit hier auf dem Hofe für die vielen Gäste, die sie beherbergen sollten.
Nein, nein, meinte Erlend. Es würde sich wohl auch ein Rat finden, die Sachen im Herbst zu befördern. Aber er habe sich gefreut und habe gemeint, es höre sich vernünftig an, als der Abt vorgeschlagen hatte, daß die Sachen mit dem Klosterschiff befördert
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