Kristin Lavranstochter 1
Nikulaussohn, mich Kristin Lavranstochter nach Gottes und der Menschen Gesetz unter den Bedingungen, die hier vor diesen anwesenden Zeugen besprochen wurden, anverlobe. Daß ich dich zur Frau besitzen soll und du mich zum Mann besitzen sollst, solange wir beide leben, in Ehegemeinschaft zusammen wohnend, mit aller Gemeinsamkeit, die Gottes Gesetz und das Gesetz des Landes kennen.“
Sie lief geschäftig über den Hofplatz von Haus zu Haus und blieb einen Augenblick stehen. Der Vogelbeerbaum hatte dieses Jahr so viele Beeren, es würde einen schneereichen Winter geben. Und die Sonne schien auf die bleichen Stoppelfelder, wo das Korn auf Hocken stand. Wenn doch das Wetter bis über die Hochzeit andauern wollte!
Lavrans hielt daran fest, daß die Tochter in der Kirche getraut werde. Deshalb war bestimmt worden, daß dies in der Kapelle auf Sundbu geschehe. Am Samstag sollte der Brautzug über die Höhen nach Vaage hinüberreiten, sie sollten auf Sundbu und in den Nachbarhöfen übernachten und am Sonntag nach der Brautmesse zurückreiten. Am selben Abend nach der Vesper, wenn der Sonntag zu Ende war, sollte die Hochzeit gefeiert werden und Lavrans seine Tochter Erlend übergeben. Und nach Mitternacht sollten Braut und Bräutigam zu Bett gebracht werden.
Am Freitagnachmittag stand Kristin auf dem Altan und blickte auf den Zug, der von Norden her an der abgebrannten Kirche auf dem Hügel vorübergeritten kam. Es waren Erlend und alle seine Brautherren. Kristin strengte ihre Augen an, um ihn von den andern unterscheiden zu können. Sie durften einander nicht sehen, kein Mann durfte Kristin jetzt sehen, bis sie am nächsten Morgen im Brautgewand vorgeführt werden würde.
Dort, wo der Weg nach Jörundhof abzweigte, trennten sich ein paar Frauen von der Schar. Die Männer ritten weiter nach Laugarbru; sie sollten die Nacht dort verbringen.
Kristin begab sich hinunter, um den Ankommenden entgegenzugehen. Sie fühlte sich so müde nach dem Bad, und ihr Haarboden schmerzte - die Mutter hatte eine so starke Lauge verwandt, damit das Haar für den nächsten Tag recht hell würde.
Frau Aashild Gautestochter ließ sich aus dem Sattel in Lavrans’ Arme gleiten. Wie leicht und jung sie sich hält, dachte Kristin. Die Frau ihres Sohnes, Herrn Munans Frau, Katrin, sah fast älter aus, sie war groß und wohlbeleibt, und Haut und Augen waren farblos. Seltsam, dachte Kristin, sie ist häßlich, und er ist treulos, und dennoch sagen die Leute, sie leben gut zusammen. Dann waren zwei Töchter des Herrn Baard Peterssohn gekommen, die eine verheiratet und die andere unverheiratet. Sie waren weder häßlich noch schön, sahen treuherzig und gut aus, zeigten sich aber ziemlich zurückhaltend gegen Fremde. Lavrans dankte ihnen höfisch dafür, daß sie ihm die Ehre erwiesen hatten, zu dieser Hochzeit den weiten Weg so spät im Herbst zu machen.
„Erlend wurde bei unserem Vater erzogen, als er noch ein Knabe war“, sagte die ältere von ihnen, ging auf Kristin zu und begrüßte sie.
Nun kamen zwei junge Männer in scharfem Trab auf den Hof geritten - sie sprangen von den Pferden und liefen Kristin,
- die ins Haus eilte und sich versteckte, lachend nach. Es waren Trond Gjeslings junge Söhne, hübsche und vielversprechende Burschen. Sie führten die Brautkrone von Sundbu in einem Schrein mit sich. Trond und seine Frau sollten erst am Sonntag nach der Messe mit nach Jörundhof kommen.
Kristin war in die Feuerstube geflüchtet, Frau Aashild kam nach, legte die Hände auf Kristins Schulter und zog ihr Gesicht zu dem ihren herab zum Kuß.
„Ich bin froh, daß ich diesen Tag erleben darf“, sagte Frau Aashild.
Sie sah, wie dünn sie geworden waren, Kristins Hände, die sie in den ihren hielt. Sie sah, daß die Braut auch sonst mager geworden war, aber eine volle Brust hatte. Alle Gesichtszüge waren schmäler und feiner geworden als früher, die Schläfen schienen ein wenig in den Schatten des schweren, feuchten Haares eingesunken zu sein. Die Wangen rundeten sich nicht mehr, und die frische Farbe war verblaßt. Aber Kristins Augen waren sehr viel größer und dunkler geworden.
Frau Aashild küßte sie wiederum.
„Ich sehe, daß du jetzt viel hinter dir hast, Kristin“, sagte sie. „Du sollst heute abend einen Trunk von mir bekommen, durch den du morgen ausgeruht und frisch sein wirst.“
Kristins Lippen begannen zu beben.
„Still“, sagte Frau Aashild und streichelte ihre Hand. „Ich freue mich darauf, dich morgen zu
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