Kristin Lavranstochter 1
und ihn zu Bett zu bringen. Lavrans war gegen Ende des Abends tüchtig betrunken gewesen, das hatte sie gesehen.
Sie stolperte schließlich über ihn, als sie suchend zum Hofe hinausschlich - er lag hinter der Badestube, der Länge nach und mit dem Gesicht im Gras.
In der Dunkelheit tastend, erkannte sie - ja, das war er. Sie glaubte, er schlafe, packte ihn bei der Schulter und wollte ihn von der eiskalten Erde aufrichten. Aber er schlief nicht - jedenfalls nicht ganz.
„Was willst du?“ fragte er mit rauher Stimme.
„Du kannst nicht hier liegenbleiben“, sagte sie. Sie stützte ihn, denn er schwankte. Mit der einen Hand strich sie an seinem samtenen Gewand hinunter. „Es ist Zeit, daß auch wir zu Bett gehen.“ Sie schob ihre Hand unter seinen Arm und führte den taumelnden Mann an der Rückseite der Hofgebäude entlang zum Hof zurück.
„Du hast den Blick nicht gehoben, Ragnfrid, als du unter der Krone auf dem Brautbett saßest“, sagte er wie vorher. „Unsere Tochter war weniger scheu, ihre Blicke waren nicht scheu, als sie ihren Bräutigam ansah.“
„Sie hat sieben Halbjahre auf ihn gewartet“, sagte die Mutter leise. „Da mußte sie wohl aufzublicken wagen.“
„Nein, der Teufel hol mich, wenn die gewartet haben“, schrie der Vater, und die Hausfrau versuchte erschrocken, ihn zu beschwichtigen.
Sie befanden sich auf dem schmalen Weg zwischen dem Abtritt und einem Zaun. Lavrans schlug mit der geballten Faust gegen den Grundbalken des Abtritts.
„Ich legte dich zum Spott und zur Schande hierher, du Balken. Ich legte dich hierher, damit der Kot dich auffresse. Ich legte dich hierher zur Strafe, weil du mein liebes kleines Mädchen erschlagen hast. Ich hätte dich über meiner Türe einfügen sollen und dich mit schmückenden Schnitzereien ehren und dir danken sollen, weil du sie vor Schande und Kummer bewahrt hast -denn durch dich starb meine Ulvhild als ein unschuldiges Kind.“
Er wandte sich um, taumelte gegen den Zaun und fiel mit dem Oberkörper darauf; den Kopf auf die Arme gelegt, weinte er unbändig, unter langem und tiefem Stöhnen.
Sie umfaßte seine Schultern.
„Lavrans, Lavrans.“ Aber die Frau konnte ihn nicht beruhigen.
„Oh, nie, nie, nie hätte ich sie diesem Manne geben dürfen. Gott steh mir bei, ich habe es wohl die ganze Zeit gewußt - er hat ihre Jugend und ihre schönen Ehren niedergebrochen. Ich glaubte es nicht, nein, sollte ich so etwas von Kristin glauben -aber ich wußte es dennoch. Trotzdem ist sie zu gut für diesen weichen Burschen, der sich selbst und sie vergeudet hat - hätte er sie auch zehnmal verführt, ich hätte sie ihm nicht geben dürfen, auf daß er noch mehr von ihrem Leben und ihrem Glück verspielen kann.“
„Was war anderes zu tun“, sagte die Mutter müde. „Du begreifst es ja auch, sie gehörte bereits ihm.“
„Ja, ich hätte es nicht nötig gehabt, einen so großen Aufwand zu treiben, um Erlend das zu geben, was er sich schon selbst genommen hat“, sagte Lavrans. „Das ist mir ein tüchtiger Mann, den sie da bekommen hat, meine Kristin.“ Er rüttelte am Zaun. Dann weinte er wieder. Ragnfrid schien es, als sei er gleichsam etwas nüchterner geworden, aber jetzt nahm der Rausch wieder überhand.
So betrunken und so über sich verzweifelt, wie der Mann war, glaubte sie nicht, ihn in die Feuerstube, wo sie schlafen sollten, hinüberziehen zu können - der Raum war voll von Gästen. Sie blickte um sich; gleich in der Nähe stand eine kleine Scheune, wo sie das gute Heu für die Pferde bis zum Frühjahr aufbewahrten. Sie ging hin und sah hinein - es lag niemand dort; da führte sie ihren Mann hinein und schloß die Türe hinter sich.
Ragnfrid häufte das Heu rings um ihn und sich auf und legte ihre Überkleider über sie beide. Lavrans weinte von Zeit zu Zeit und sagte etwas, aber es war so verworren, daß sie keinen Sinn darin finden konnte. Nach einiger Zeit legte sie seinen Kopf in ihren Schoß.
„Mein lieber Mann - wenn sie nun eine solche Liebe zueinander gefaßt haben; vielleicht wird alles besser, als wir glauben.“
Lavrans antwortete stoßweise - er schien jetzt wieder bei klarerem Verstand zu sein:
„Verstehst du denn nicht - jetzt hat er vollkommen Macht über sie, er, der sich selbst nie in der Gewalt hatte. Nur schwerlich wird sie den Mut haben, sich gegen etwas aufzulehnen, was ihr Mann will; und wenn sie es eines Tages muß, dann wird sie das so schmerzlich peinigen - dieses mein sanftes Kind.
Nun begreife
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