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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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die Jungen im Neste. - Sie waren der kleine warme Fleck in der Wildnis gewesen, die innigste, süßeste Lust in seinem Leben. Die kleinen hellen Mädchenköpfe unter seiner Hand.
    Er war verheiratet worden - beinahe ungefragt. Freunde - er hatte viele, und er hatte keine. Krieg - das war Freude gewesen, aber es gab keinen Krieg mehr, seine Rüstung hing oben in der Giebelstube, wenig gebraucht. Er war Bauer geworden. Aber er hatte Töchter gehabt - alles, was er durchlebt hatte, war ihm lieb geworden, weil er dabei für sie gesorgt hatte, für die feinen weichen kleinen Wesen, die er in seinen Händen gehalten hatte. Er entsann sich des kleinen zweijährigen Körpers Kristins an seiner Schulter, ihres weichen flachsblonden Haares an seiner Wange; entsann sich ihrer kleinen Hände, die sich an seinem Gürtel festhielten, wenn er mit ihr hinter sich auf dem Pferde ausritt, während ihre runde, harte Kinderstirne gegen seine Schulterblätter stieß.
    Und jetzt hatte auch sie diese heißen Augen - und sie hatte das Ihre bekommen. Sie saß dort im Halbschatten gegen die seidenen Kissen des Bettes gelehnt. Im Kerzenschein war sie ganz golden - goldene Krone und das goldene Hemd und das goldene Haar über den nackten goldenen Armen. Ihre Augen waren nicht mehr scheu.
    Der Vater stöhnte vor Scham.
    Und dennoch war es, als blute ihm das Herz. Um dessentwillen, was er selbst nicht erhalten hatte. Und um der Frau an seiner Seite willen, der er nichts hatte geben können.
    Krank vor Mitleid, griff er im Dunkeln nach Ragnfrids Hand.
    „Ja, ich glaubte, wir lebten gut zusammen“, sagte er. „Ich glaubte, du trauertest um unsere Kinder. - Ja, und daß du ein schweres Gemüt habest. Nie dachte ich daran, daß ich es sein könnte, der dir kein guter Gatte war.“
    Ragnfrid zitterte wie im Krampf.
    „Du warst stets ein guter Gatte, Lavrans.“
    „Hm.“ Lavrans saß da, das Kinn ganz bis auf die Knie herabgesenkt. „Dennoch hättest du es vielleicht besser gehabt, wenn du so verheiratet worden wärest wie unsere Tochter heute..."
    Ragnfrid fuhr auf, schrie leise und schneidend:
    „Weißt du es! Wie erfuhrst du es - wie lange hast du es gewußt?“
    „Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, sagte Lavrans nach einer Weile mit seltsam gedrückter Stimme.
    „Ich spreche davon, daß ich keine Jungfrau war, als ich dein Weib wurde“, antwortete Ragnfrid, und ihre Stimme war klar und klingend vor Verzweiflung.
    Nach einiger Zeit antwortete Lavrans wie zuvor:
    „Das habe ich bis heute nie gewußt.“
    Ragnfrid lag im Heu, von Schluchzen geschüttelt. Als der Anfall vorüber war, hob sie den Kopf ein wenig. Durch die Öffnung in der Wand begann schwaches graues Licht hereinzusickern. Sie konnte ihren Mann erkennen, er saß da, die Arme um die Knie geschlungen, unbeweglich, als wäre er aus Stein.
    „Lavrans - sprich zu mir“, jammerte sie.
    „Was willst du, das ich sagen soll?“ fragte er, ohne sich zu rühren.
    „Ach, ich weiß nicht - verfluche mich, schlage mich ...“
    „Das wäre jetzt wohl ein wenig spät“, antwortete der Mann; es lag etwas wie der Schatten eines Hohnlächelns in seiner Stimme.
    Ragnfrid weinte wieder.
    „Ja, ich achtete dessen nicht, daß ich dich dabei betrog. So sehr betrogen und so gekränkt hatte man mich selbst, dünkte mich. Niemand hatte mich geschont. Sie kamen mit dir; ich sah dich ja nur dreimal, bevor wir verheiratet wurden; mich dünkte, du seist nur ein Knabe, rot und weiß - so jung und kindlich.“    
    „Das war ich“, sagte Lavrans, und es kam ein wenig mehr Klang in seine Stimme. „Und deshalb hätte ich geglaubt, daß du als Frau dich mehr gescheut haben würdest - einen zu betrügen, der so jung war, daß er nichts begriff ...“
    „So dachte ich später“, sagte Ragnfrid weinend. „Als ich dich kennengelernt hatte. Bald genug kam die Zeit, da ich meine Seele zwanzigmal dafür hergegeben hätte, hätte ich dir gegenüber frei von Schuld werden können.“
    Lavrans saß stumm und unbeweglich; da sagte seine Frau wieder:
    „Du fragst nach nichts?“
    „Wozu sollte das nützen! Er war es - dessen Leichenzug wir
    auf Feginsbrekka begegneten, als wir Ulvhild nach Nidaros
    brachten?“
    „Ja“, sagte Ragnfrid. „Wir mußten aus dem Wege gehen, in die Wiese hinein. Ich sah, wie seine Bahre vorbeigetragen wurde - mit Priestern und Mönchen und bewaffneten Dienstleuten. Ich hörte, daß ihm ein guter Tod beschieden war -ausgesöhnt mit seinem Gott. Wie wir so dastanden mit

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