Kristin Lavranstochter 1
auf Skog bei dir in der Kammer war?“
Einige Zeit später rief Sira Eirik auf den Hof hinaus, nun sei es Montag. Die Frauen kamen und wollten die Braut zu Bette führen - Kristin war so müde, daß sie sich dem kaum zu widersetzen vermochte, wie sie es der Schicklichkeit halber tun mußte. Sie ließ sich von Frau Aashild und von Gyrid auf Skog bei der Hand nehmen und aus dem Saal hinausführen. Die Brautherren standen mit brennenden Kerzen und gezogenen Schwertern am Fuße der Treppe; sie bildeten einen Ring um die Frauenschar und begleiteten Kristin über den Hofplatz zur Brautkammer hinauf.
Die Frauen nahmen ihr den Brautstaat ab, Stück für Stück, legten ihn weg. Kristin sah, daß über dem Fußende des Bettes ein veilchenblaues Samtkleid hing, das sie am nächsten Tage tragen sollte, und darüber lag ein langes, schneeweißes, feingefälteltes Linnen. Es war das Frauentuch, das Erlend für sie mitgebracht hatte; morgen sollte sie ihr Haar in einem Knoten aufbinden und das Tuch darüberlegen. Es sah so frisch und kühl und ruhespendend aus.
Zuletzt stand sie vor dem Brautbett, mit nackten Füßen, bloßen Armen, nur noch in das bis zu den Knöcheln reichende goldgelbe Seidenhemd gekleidet. Die Krone hatten sie ihr wieder aufgesetzt - die sollte ihr der Bräutigam abnehmen, wenn sie beide allein waren.
Ragnfrid legte ihre Hände auf die Schultern der Tochter, küßte sie auf die Wange - Gesicht und Hände der Mutter waren seltsam kalt, aber es war, als zersprenge ihr ein Weinen tief drinnen die Brust. Dann schlug sie die Decke zurück und gebot der Braut, im Bett sitzend Platz zu nehmen. Kristin gehorchte und lehnte sich gegen die aufgeschichteten seidenen Kissen am Kopfende zurück - den Kopf mußte sie, der Krone wegen, ein wenig vorneigen.
Frau Aashild bedeckte sie bis zur Mitte, legte ihre Hände auf die seidene Decke und griff in das schimmernde Haar der Braut, zog es vor und breitete es über der Brust und den nackten schlanken Oberarmen aus.
Die Männer führten den Bräutigam herein. Munan nahm Erlend den goldenen Gürtel mit dem Schwert ab; während er ihn über dem Bett aufhängte, flüsterte er der Braut etwas zu. Kristin verstand nicht, was er sagte, aber sie lächelte, so gut sie vermochte.
Die Brautherren schnürten Erlends Seidengewand auf und streiften ihm das schwere, lange Kleidungsstück über den Kopf. Er setzte sich in den Lehnstuhl, und sie waren ihm beim Ablegen der Sporen und Stiefel behilflich.
Ein einziges Mal wagte die Braut aufzublicken und seinen Augen zu begegnen.
Dann wünschte man ihnen gute Nacht. Der Raum leerte sich von den Hochzeitsgästen. Zuletzt ging Lavrans Björgulvssohn hinaus und schloß die Türe zum Brauthaus.
Erlend stand auf, streifte die Unterkleider ab und warf sie auf die Bank. Er stand vor dem Bett, hob Kristin die Krone vom Haupt, löste die seidenen Binden aus ihrem Haar und legte alles auf den Tisch. Dann kam er zurück und stieg in das Bett. Und neben ihr auf dem Lager kniend, umfaßte er ihren Kopf, preßte ihn an seine heiße nackte Brust, während er den roten Streifen küßte, den die Krone auf ihrer Stirn hinterlassen hatte.
Kristin warf die Arme um seine Schultern und schluchzte laut; süß und wild fühlte sie, nun entflohen sie: der Schrecken, die Spukgestalten - jetzt, jetzt waren es wieder nur er und sie. Er hob ihr Gesicht einen Augenblick, blickte darauf hinab und strich mit einer Hand über ihr Gesicht und ihren Körper, seltsam hastig und roh, als risse er eine Decke weg.
„Vergiß“, bat er flüsternd und heiß, „vergiß alles, Kristin, du - alles, außer, daß du mein Weib bist und ich dein Mann.“
Er schlug die letzte der Kerzenflammen mit der Hand aus und warf sich neben sie im Dunkeln hin, auch er schluchzte:
„Nie habe ich geglaubt, nie in allen diesen Jahren, daß wir diesen Tag erleben würden ...“
Draußen auf dem Hofplatz verstummte der Lärm nach und nach. Müde vom Ritt am Tag zuvor und betäubt vom Trinken, trieben sich die Gäste aus Anstand noch eine kleine Weile herum - aber immer mehr und mehr schlichen davon und suchten den Platz auf, wo sie schlafen sollten.
Ragnfrid geleitete jene, die am meisten geehrt werden mußten, zu ihren Lagern und bot ihnen gute Nacht. Den Hausvater, der ihr dabei hätte helfen sollen, sah sie nirgends.
Nur noch einige kleine Gruppen von jungen Leuten - haupt-sächlich Gesinde - standen auf dem dunklen Hofplatz, als sie sich schließlich davonschlich, um ihren Mann zu suchen
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