Kristin Lavranstochter 1
die Gäste von ihren Überkleidern befreit. Erlend nahm sein Weib bei der Hand und führte sie zur Herdstätte; die Gäste bildeten hinter ihnen einen- Halbkreis. Dann trat eine dicke Frau mit einem milden Gesicht vor und glättete Kristins Kopftuch, das unter dem Umhang ein wenig zerknittert worden war. Als sie auf ihren Platz zurückging, nickte sie den beiden jungen Menschen zu und lächelte; Erlend nickte lächelnd zurück und blickte auf sein Weib hinab. Da schien sein Antlitz schöner zu sein denn je. Und wieder fühlte Kristin, wie das Herz ihr sank - er jammerte sie so sehr. Sie wußte, was er nun dachte, da er sie so mit dem langen schneeweißen Frauentuch über dem scharlachroten Brautgewand hier in seiner Stube stehen sah. An diesem Morgen hatte sie einen langen gewebten Gürtel unter ihren Kleidern eng um Leib und Hülfen winden müssen, ehe das Kleid schön sitzen wollte. Sie hatte sich auch die Wangen mit einer roten Salbe eingerieben, die Frau Aashild ihr gegeben hatte. Bei dieser Arbeit hatte sie gekränkt und sorgenvoll daran gedacht, daß Erlend sie wohl nicht viel ansah, jetzt, seit er sie bekommen hatte - da er doch immer noch nichts begriff. Jetzt bereute sie es bitter, daß sie ihm nichts gesagt hatte.
Während das Ehepaar so dastand, Hand in Hand, gingen die Priester rund durch die Stube, segneten das Haus und die Feuerstätte, das Bett und den Tisch.
Dann überreichte eine Frau aus dem Gesinde Erlend die Schlüssel des Hauses. Er hängte den schweren Bund an Kristins Gürtel, und während er dies tat, sah er aus, als hätte er sie am liebsten sofort geküßt. Ein Mann brachte ein großes Horn, mit goldenen Ringen umwunden - Erlend setzte es an den Mund und trank ihr zu.
„Heil und Glück auf deinem Hof, Herrin!“
Und die Gäste riefen und lachten, während Kristin mit ihrem Manne trank und den Rest des Weines ins Feuer goß.
Dann, als Erlend Nikulaussohn sein Weib zum Hochsitz führte und die Gäste sich zu Tisch setzten, fingen die Spielleute zu spielen an.
Am dritten Tage begannen die Gäste aufzubrechen, und am fünften Tag zur Nonezeit zogen die letzten fort. Nun war Kristin allein mit ihrem Mann auf Husaby.
Als erstes gebot sie dem Gesinde, alles Bettzeug aus dem Bett herauszunehmen, die Bettstatt selbst und die Wände der Stube mit Lauge abzuwaschen und das Stroh hinauszutragen und zu verbrennen. Dann ließ sie frisches Stroh einfüllen und das Bett mit ihrer von zu Hause mitgebrachten Wäsche bereiten. Es währte tief in die Nacht hinein, bis diese Arbeit beendet war. Kristin gebot, daß mit allen Bettstellen auf dem Hof so verfahren werde, und alle Felldecken sollten in der Badestube erhitzt werden; die Mägde sollten gleich am nächsten Morgen die Arbeit anpacken und so viel vom Fleck bringen, als ihnen vor dem Sonntag noch möglich wäre. Erlend schüttelte den Kopf und lachte; sie sei doch wahrlich eine Frau! Aber er war ziemlich beschämt.
Kristin hatte in der ersten Nacht nicht viel schlafen können, obwohl die Priester ihr Bett geweiht hatten. Obenauf waren seidenbezogene Kissen, Linnenlaken und die schönsten Decken und Felle gebreitet, aber darunter war schmutziges und stickiges Stroh; und in den Decken und in dem prächtigen schwarzen Bärenfell, das zuoberst lag, waren Läuse.
Vieles und vielerlei hatte sie in diesen Tagen bereits gesehen. Unter den kostbaren Teppichen, mit denen die Wände geschmückt waren, hatte man Ruß und Schmutz nicht von den Balken gewaschen. Ungeheure Mengen hatte es beim Gelage zu essen gegeben, aber vieles war verdorben gewesen und schlecht zubereitet. Auch hatten sie mit grünem und nassem Holz schüren müssen, das kaum brennen wollte und die Stube mit Rauch erfüllte.
Schlechte Wirtschaft war ihr überall begegnet, als sie am zweiten Tag mit Erlend umhergegangen war und sich auf dem Hof umgesehen hatte. Wenn das Gastgelage zu Ende war, würden leere Vorratshäuser und Scheunen Zurückbleiben; die Mehlkästen waren beinahe ausgefegt. Und sie begriff nicht, wie Erlend mit dem vorhandenen Vorrat an Heu und Stroh all die Pferde und den großen Viehbestand durchzufüttern gedachte -an Laub war nicht einmal genug für die Schafe gesammelt worden.
Ein Dachraum aber war halb voll von Leinwand, die zu nichts verwandt worden war - das mußte der Hauptteil von den Ernten vieler Jahre sein. Und ein Schuppen war mit uralter ungewaschener und stinkender Wolle angefüllt, zum Teil in Säcken, zum Teil offen auf dem Boden liegend. Als Kristin
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