Kristin Lavranstochter 1
hineingriff, rollten ihr kleine braune Puppen über die Hand; es waren Motten und Würmer hineingekommen.
Das Vieh war jämmerlich mager, räudig und wund - und noch nirgends hatte sie so viele alte Tiere gesehen. Nur die Pferde waren schön und gut gepflegt. Und doch gab es darunter keines, das sich mit Guldsvein oder mit Ringdrott, dem jetzigen Hengst ihres Vaters, hätte messen können. Slöngvanbauge, den ihr der Vater von daheim mitgegeben hatte, war das schönste
Pferd im Stall von Husaby. Sie mußte den Arm um seinen Hals legen und ihr Gesicht an seine Wange drücken, als sie zu ihm kam. Und diese mächtigen Leute hier aus der Drontheimer Gegend betrachteten das Tier und priesen seine kräftigen, starken Beine, die tiefe Brust und den hohen Hals, den kleinen Kopf und die breiten Lenden. Der Alte von Gimsar schwor bei Gott und dem bösen Feind, es sei eine große Sünde, daß man diesen Gaul verschnitten habe - welch ein Streithengst hätte er sein können. Da mußte Kristin ein wenig mit Ringdrott, dem Gaul ihres Vaters, prahlen. Er war noch viel größer und stärker, es gab keinen Hengst, der ihm über war, ja ihr Vater hatte ihn mit den berühmtesten Pferden bis ganz von Sogn her kämpfen lassen. Die seltsamen Namen - Slöngvanbauge und Ringdrott - hatte Lavrans diesen Pferden gegeben, weil sie so hell goldfarben und wie mit rotgoldenen Ringen gezeichnet waren. Die Mutter Ringdrotts war eines Sommers drinnen bei den Eberbergen von der Weide verschwunden, und sie hatten geglaubt, der Bär habe sie geraubt. Da aber kehrte sie im Spätherbst wieder auf den Hof zurück, und das Fohlen, das sie im Jahr darauf bekam, war sicher nicht von einem Hengst gezeugt, der den Menschen über der Erde gehörte. Darum verbrannten sie Schwefel und Brot über dem Fohlen, und Lavrans stiftete die Stute der Kirche, um sich sicher zu fühlen. Aber das Füllen wuchs so schön heran, daß er jetzt sagte, lieber wolle er seinen halben Besitz verlieren als Ringdrott.
Erlend lachte und sagte:
„Du bist sonst wortkarg, Kristin, aber wenn du von deinem Vater sprichst, dann wirst du wohlberedt!“
Kristin schwieg jäh. Sie erinnerte sich an das Gesicht des Vaters, als sie mit Erlend wegreiten sollte und er sie aufs Pferd hinaufhob. Er hatte eine frohe Miene angenommen, denn es standen so viele Leute rings um sie, aber sie sah seine Augen. Er strich ihr über den Arm und ergriff ihre Hand zum Abschied. In diesem Augenblick -hatte sie wohl hauptsächlich daran gedacht, wie froh sie sei, daß sie nun wegkomme. Jetzt dünkte es sie, die Erinnerung an ihres Vaters Augen damals müßte ihr das ganze Leben lang in der Seele brennen.
So ging also Kristin Lavranstochter daran, in ihrem Haus zu schalten und zu walten. Jeden Morgen stand sie in aller Frühe auf, obwohl Erlend dagegensprach und so tat, als wollte er sie mit Gewalt im Bett zurückhalten - kein Mensch erwarte doch von einer jungverheirateten Frau, daß sie vor dem Morgengrauen schon auf den Beinen sei.
Wenn sie sah, wie hier alles darniederlag und wie vieler Dinge sie sich hier anzunehmen hatte, so durchfuhr es sie scharf und hart: nun gut, sie hatte eine Sünde auf sich geladen, um hierherzukommen, mochte es so sein, aber es war auch eine Sünde, so mit Gottes Gaben umzugehen, wie es hier geschah. Schande war es für jene, die früher hier gewirtschaftet hatten, und für alle, die Erlends Hab und Gut so hatten verkommen lassen. Seit zwei Jahren hatte Husaby keinen ordentlichen Verwalter mehr gehabt; Erlend selbst war in dieser Zeit sehr viel von daheim weg gewesen, und außerdem verstand er sich nicht gut auf die Bewirtschaftung eines Hofes. Da war es wohl nicht mehr als begreiflich, wenn seine Vertrauensleute in den weiter entfernten Gemeinden ihn so betrogen, wie Kristin es vermutete, und wenn das Gesinde auf Husaby nur so viel arbeitete, wie es selbst Lust hatte, und nur dann und wann oder wie es jedem einzelnen behagte. Es war nicht leicht für sie, jetzt wieder alles in Ordnung zu bringen.
Eines Tages sprach sie darüber mit Ulv Haldorssohn, Erlends Knappen. Sie müßten wenigstens mit dem Dreschen ihres selbstgeernteten Kornes fertig werden - es gab dessen sowieso nicht allzuviel -, bevor die Zeit des großen Schlachtens anbreche. Ulv sagte:
„Du weißt ja, Kristin, daß ich kein Knecht bin. Wir sollten doch Erlends Knappen sein, Haftor und ich - und ich habe keine Übung mehr in Bauernarbeit.“
„Ich weiß es“, sagte Kristin. „Aber die Sache ist so, Ulv, daß
Weitere Kostenlose Bücher