Kristin Lavranstochter 1
mit seiner Tochter, der Witwe, und Herr Munan Baardssohn mit seiner Frau unerwartet nach Husaby. Erlend und Kristin gingen auf den Hofplatz hinaus, um die Gäste willkommen zu heißen.
Kaum bekam Herr Munan Kristin zu sehen, so schlug er Erlend derb auf die Schulter.
„Du hast es verstanden, Verwandter, dafür zu sorgen, daß deine Frau gedeiht, das sehe ich wohl. Du bist jetzt nicht mehr so dünn und jämmerlich, wie du auf deiner Hochzeit warst, Kristin - und hast auch viel frischere Farben jetzt“, lachte er, denn Kristin war so rot geworden wie eine Hagebutte.
Erlend gab keine Antwort. Herrn Baards Miene war finster, die beiden Frauen aber taten, als hörten und sähen sie nichts; still und höfisch begrüßten sie die Gastgeber.
Während sie auf das Essen warteten, ließ Kristin Bier und Met an die Feuerstätte bringen. Munan Baardssohn redete ohne Aufhören. Er hatte einen Brief von der Herzogin an Erlend bei sich; sie hatte gefragt, was aus ihm und seiner Braut geworden sei. Ob er sich nun mit der gleichen Jungfrau verheiratet habe, die er nach Schweden habe entführen wollen. Es war eine verteufelte Reise gewesen, jetzt, mitten im Winter -durch die Täler hinauf und mit dem Schiff nach Nidaros. Aber er fuhr im Aufträge des Königs, da half kein Murren. Er hatte auch seine Mutter auf Haugen besucht und brachte Grüße von ihr.
„Wart Ihr auf Jörundhof?“ fragte Kristin leise.
Nein, denn er hatte erfahren, daß sie dort zum Leichenbegängnis nach Blakarsarv gereist seien. Es war ein unheimliches Ereignis gewesen. Die Hausfrau, Tora, ein Geschwisterkind Ragnfrids, war vom Altan des Vorratshauses hinuntergestürzt und hatte sich das Rückgrat gebrochen, und es war ihr Mann gewesen, der sie aus Unachtsamkeit hinausgestoßen hatte - auf einem dieser alten Vorratshäuser, wo statt eines richtigen Altans nur einige Bretter über die oberen Balken-
enden gelegt waren. Ihren Mann, Rolv, hatte man binden und Tag und Nacht bewachen müssen, seitdem das Unglück geschehen war; er wollte Hand an sich legen.
Die Leute saßen still da, zusammenschaudernd. Kristin kannte diese Verwandten nur wenig, aber sie waren bei ihrer Hochzeit gewesen. Ihr war so seltsam und schwach zumute -es wurde ihr schwarz vor den Augen. Munan saß ihr gerade gegenüber, er sprang auf. Als er über sie geneigt stand und ihre Schulter umfaßt hielt, sah er freundlich aus; Kristin begriff, daß es vielleicht nicht so merkwürdig war, wenn Erlend diesen Vetter so gern hatte.
„Ich kannte ihn, den Rolv, als wir Kinder waren“, sagte er. „Die Leute bedauerten Tora Guttormstochter - es hieß, er sei wild und eigensinnig. Nun kann man doch sehen, daß er sie liebhatte. Ach ja, mancher Mann prahlt und tut so, als wollte er gern von seiner Frau geschieden sein, aber die meisten Männer wissen doch wohl, daß es am wehesten tut, die Frau zu verlieren ...“
Baard Peterssohn erhob sich jäh und trat zu der Bank an der Wand.
„Gott verdamme meinen Mund“, sagte Herr Munan leise. „Daß ich doch nie das Maul halten kann.“
Kristin begriff nicht, worum es sich handelte. Der Schwindel war jetzt vorüber, aber sie hatte ein so beklemmendes Gefühl, alle schienen ihr so seltsam. Sie war froh, als das Gesinde die Speisen hereintrug.
Munan sah zum Tisch hinüber und rieb sich die Hände.
„Ich dachte mir doch, wir würden nichts dabei verlieren, wenn wir zu dir kämen, Kristin, ehe wir anfangen müssen, Fastenspeisen zu kauen. Hast du wirklich in dieser kurzen Zeit solche Leckereien zuwege gebracht? Man sollte fast glauben, du hättest bei meiner Mutter das Hexen gelernt. Aber ich verstehe, du bist tüchtig darin, all das herbeizuschaffen, womit eine Hausfrau ihren Mann erfreuen kann.“
Sie setzten sich zu Tisch. Für die Gäste waren Samtkissen auf die Wandbank zu beiden Seiten des Hochsitzes gelegt. Das Gesinde saß auf der äußeren Bank, Ulv Haldorssohn in der Mitte, Erlend gerade gegenüber.
Kristin sprach leise mit den fremden Frauen und bemühte sich, zu verbergen, wie übel ihr war. Aber immer wieder warf Munan Baardssohn etwas dazwischen, was spaßhaft sein sollte.
Und immer wieder waren es Anspielungen auf Kristins Zustand. Sie tat, als höre sie nicht.
Munan war ein ungewöhnlich beleibter Mann. Seine kleinen, hübsch geformten Ohren saßen ganz vergraben in dem fleischigen roten Hals, und sein Bauch war ihm im Wege, wenn er sich zu Tisch setzen wollte.
„Ja, ich habe mich oft über die Geschichte von der Auferstehung des
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