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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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seine Tochter zum Weibe geben möge.“
    „Es ist wohl schön gewesen auf Husaby in jener Zeit“, sagte Kristin kurz.
    Der Junge gab keine Antwort. Um seinen Mund bebte es.
    Kristin und Orm trugen die vollen Tröge zur Halle zurück, und sie deckte den Tisch. Aber sie mußte noch einmal ins Vorratshaus hinüber, um etwas zu holen. Orm ergriff den Trog und sagte ein wenig befangen:
    „Ich will für dich gehen, Kristin, es ist so glatt auf dem Hofplatz.“
    Sie blieb vor der Haustüre stehen und wartete, bis er zurückkam.
    Dann setzten sie sich an die Feuerstätte - sie in den Lehnstuhl und der Knabe auf einen Holzschemel in ihrer Nähe. Nach einer Weile sagte Orm Erlendssohn leise:
    „Erzähl mir doch noch mehr, während wir hier sitzen, Stiefmutter !“
    „Erzählen?“ fragte Kristin ebenso.
    „Ja, eine Geschichte oder so etwas - die zur Weihnachtsnacht paßt“, sagte der Knabe verlegen.
    Kristin lehnte sich im Stuhl zurück und umfaßte mit den dünnen Händen die Tierköpfe der Armlehnen.
    „Der Mönch, von dem ich sprach, ist auch in Engelland gewesen. Und er berichtete, es gäbe dort einen Ort, da wüchsen Dornenbüsche, die in jeder Weihnacht mit weißen Blumen blühen. Sankt Josef von Arimathia ging bei diesem Ort an Land, als er vor den Heiden flüchtete, und dort stieß er seinen Stab in die Erde, und der schlug Wurzeln und blühte. Er war der erste, der christlichen Glauben nach Bretland trug. Glastonborg heißt der Ort - jetzt erinnere ich mich. Bruder Edvin hatte selbst diese Sträucher gesehen. Dort in Glastonborg wurde er mit seiner Königin beerdigt, der König Artur, von dem du wohl hast sagen hören - er, der einer der sieben würdigsten Kämpfer der Christenheit war.
    In Engelland sagen sie, daß Christi Kreuz aus Erlenholz gemacht war. Wir aber brannten daheim in den Weihnachtstagen Eschenholz, denn es war Eschenholz, womit Sankt Josef, Christi Stiefvater, ein Feuer anmachte - für die Jungfrau Maria und den neugeborenen Sohn Gottes. Das hat mein Vater auch von Bruder Edvin gehört.“
    „Aber hier nördlich des Gebirges wachsen nur wenige Eschen“, sagte der Knabe. „Man hat sie in früheren Zeiten zu Speerschäften verwandt, weißt du. Ich kenne keine andere Esche hier auf dem ganzen Grund von Husaby als die eine, die hier östlich am Hofgatter steht, und die kann der Vater nicht schlagen, denn unter ihr wohnt der Urbauer*. Du, Kristin, in Romaborg haben sie ja das Heilige Kreuz, da können sie doch wohl herausfinden, ob es wahr ist, daß es aus Erlenholz gemacht ist.“
    „Ja“, meinte Kristin. „Ich weiß nicht, ob es wahr ist. Denn du weißt, man sagte ja auch, das Kreuz sei aus einem Schößling vom Baum des Lebens gemacht, den Seth im Garten des Paradieses holen und zu Adam heimbringen durfte, ehe er starb.“ „Ja“, sagte Orm. „Aber erzähle es doch.“
    Eine Weile später wandte Kristin sich zu dem Kind.
    „Jetzt solltest du dich ein wenig hinlegen, Verwandter, und schlafen. Es dauert noch lange, bis die Kirchenleute zurückkommen.“
    Orm stand auf.
    „Wir haben einander noch nicht als Verwandte begrüßt, Kristin Lavranstochter.“ Er ging hin und nahm ein Horn vom Tisch, trank seiner Stiefmutter zu und reichte ihr das Gefäß.
    Sie fühlte es wie Eiswasser über den Rücken laufen. Sie mußte jener Stunde gedenken, da Orms Mutter mit ihr trinken wollte. Und die Frucht in ihrem Leibe bewegte sich gewaltsam. Was ist mit ihm heute nacht, dachte die Mutter. Es war, als fühle der ungeborene Knabe alles, was sie fühlte, als fröre er, wenn sie fror, und als krümmte er sich in Angst, wenn sie sich fürchtete. Da aber darf ich nicht so weich sein, dachte Kristin. Sie ergriff das Horn und trank mit ihrem Stiefsohn.
    Als sie es Orm zurückreichte, strich sie ihm sanft über die schwarze Haarlocke. Nein, ich will dir gewiß keine böse Stiefmutter werden, dachte sie. Du schöner, schöner Sohn meines Erlend.
    Sie war in ihrem Stuhl eingeschlafen, als Erlend heimkam und die steifgefrorenen Fäustlinge auf den Tisch warf.
    „Seid ihr schon hier“, fragte Kristin erstaunt. „Ich glaubte, ihr würdet noch die Tagesmesse anhören.“
    * Der erste Mann, der an dieser Stelle das Land rodete und den Hof gründete.,
    „Oh, an zwei Messen habe ich für lange Zeit genug“, sagte Erlend. Kristin nahm seinen vereisten Umhang. „Ja, jetzt ist klarer Himmel, jetzt friert es.“
    „Es war nicht schön, daß du vergaßest, Orm zu wecken“, tadelte ihn seine Frau.
    „War er böse

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