Kristin Lavranstochter 1
darüber?“ fragte der Vater. „Ich hatte es nicht vergessen“, sagte er leise. „Aber er schlief so gut, da dachte ich ... Du kannst dir denken, die Leute in der Kirche starrten mich schon genug an, weil ich ohne dich kam. Ich hatte keine Lust, noch obendrein mich mit diesem Jungen an meiner Seite zu zeigen ...“
Kristin entgegnete nichts, aber es tat ihr weh. Es dünkte sie nicht schön gehandelt von Erlend.
3
Diese Weihnachten bekamen sie nicht viele Gäste auf Husaby zu sehen. Erlend wollte nirgendshin, wo er eingeladen war, sondern ging daheim auf seinem Hof umher und war schlechter Laune.
Er nahm sich diese Wendung mehr zu Herzen, als sein Weib wissen konnte. Er hatte soviel mit seiner Verlobten geprahlt, seitdem seine Verwandten ihm das Jawort auf Jörundhof geholt hatten. Nichts wollte er weniger, als daß jemand glauben könnte, er sehe sie oder einen ihrer Verwandten für geringer an als seine eigenen Leute. Nein, alle sollten wissen: er hielt es für eine Ehre und eine Genugtuung, daß Lavrans Björgulvssohn ihm seine Tochter anverlobte. Jetzt würden die Leute sagen, er habe das Mädchen wohl für nicht viel mehr angesehen als für ein Bauernkind, da er es gewagt hatte, ihren Vater zu kränken, indem er bei der Tochter schlief, noch ehe sie ihm zur Ehe gegeben war. Auf seiner Hochzeit hatte Erlend die Eltern seiner Frau heftig bedrängt, sie sollten unbedingt im Sommer nach Husaby kommen und sehen, wie es ihnen gehe. Er wollte ihnen beiden gern zeigen, daß er ihre Tochter nicht in kleine Verhältnisse gebracht hatte. Aber er hatte sich auch darauf gefreut, in der Gegend umherzureiten und sich in Begleitung dieser schönen und stattlichen Schwiegereltern sehen zu lassen; er begriff, daß Lavrans und Ragnfrid sich unter den Angesehensten noch hervorhoben, wo sie auch hinkamen. Und er hatte geglaubt, seit jenem Mal, da er auf Jörundhof war und die Kirche abbrannte, könne ihn Lavrans trotz allem ganz gut leiden. Nun war es wenig wahrscheinlich, daß das Wiedersehen zwischen ihm und den Verwandten seines Weibes für irgendeinen der beiden Teile Angenehmes bringen würde.
Es kränkte Kristin, daß Erlend so oft seine schlechte Laune an Orm ausließ. Der Junge hatte keine gleichaltrigen Spielgefährten, und so konnte er oft im Wege sein und zur Last fallen. Er verursachte auch allerlei Verdruß. Eines Tages hatte er unerlaubterweise seines Vaters französische Armbrust genommen und dabei am Schloß etwas zerbrochen. Erlend wurde sehr böse; er schlug Orm hinters Ohr und schwor, daß der Junge auf Husaby keine Armbrust mehr anrühren dürfe.
„Es war nicht Orms Schuld“, sagte Kristin, ohne sich umzudrehen. Sie saß mit dem Rücken zu den beiden und nähte. „Die Feder war verzogen, als er sie nahm, und er versuchte sie wieder einzurichten. So unvernünftig darfst du doch nicht sein, daß du deinem großen Sohn verwehrst, eine Armbrust von all den vielen hier auf dem Hofe zu benützen. Gib ihm doch lieber eine von denen, die in der Waffenkammer sind.“
„Du kannst ihm selber eine Armbrust schenken, wenn du magst“, sagte Erlend zornig.
„Das kann ich gern“, entgegnete Kristin wie zuvor. „Ich werde mit Ulv darüber sprechen, wenn er das nächste Mal zur Stadt reitet.“
„Geh hin, Orm, und bedanke dich bei deiner freundlichen Stiefmutter“, knurrte Erlend, seine Stimme klang spöttisch und zornig.
Orm tat dies. Und dann machte er, daß er so rasch wie möglich zur Tür hinauskam. Erlend stand eine Weile da.
„Das tatest du nur, um mich zu ärgern, Kristin“, sagte er.
„Ja, ich weiß, ich bin eine Hexe. Du hast mir das schon früher gesagt“, entgegnete sein Weib.
„Erinnerst du dich auch, du meine Süße“, sagte Erlend betrübt, „daß ich damals nicht im Ernst sprach?“
Kristin gab weder eine Antwort, noch blickte sie von ihrer Arbeit auf. Da ging er; und hinterher saß sie da und weinte. Sie hatte Orm gern, und sie fand, Erlend sei oft ungerecht gegen seinen Sohn. Außerdem aber quälten sie das wortkarge Wesen und die unfrohen Mienen ihres Mannes so sehr, daß sie die halben Nächte hindurch weinte. Dann hatte sie den ganzen Tag darauf Kopfschmerzen. Ihre Hände waren jetzt so mager geworden, daß sie ein paar kleine silberne Ringe, die sie noch aus ihrer Kinderzeit besaß, vor den Verlobungsring und den Brautring stecken mußte, damit ihr diese nicht im Schlaf vom Finger fielen.
Am Sonntag vor Beginn der Fastenzeit kamen am späten Nachmittag Herr Baard Peterssohn
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