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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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drückte
    sie gegen seine Stirn, die immer noch rot und brennend heiß war. Das war draußen auf dem Hofplatz, um die Abendzeit -ein junger weißer Mondschimmer hing in der wassergrünen Luft über dem Bergkamm. Als Lavrans wieder mit ihr in die Stube trat, schlug er ihren Kopf aus Versehen gegen den Türstock, so daß sie eine große Beule an der Stirne bekam. Später saß sie dann bei Tisch auf seinem Schoß. Er drückte ihr die Klinge seines Dolches gegen die Beule, fütterte sie mit guten Bissen und ließ sie mit aus seinem Becher trinken. So fürchtete sie sich nicht vor den Weihnachtsböcken, die in die Stube hereingestürmt kamen.
    O Vater, o Vater... Mein lieber, guter Vater!
    Laut aufschluchzend barg Kristin ihr Gesicht in den Händen. Oh, wenn ihr Vater wüßte, wie sie diese Weihnachtsnacht verbrachte!
    Als sie über den Hofplatz zurückging, sah sie, daß vom Dach des Küchenhauses Funken aufstiegen. Die Mägde hatten sich darangemacht, Essen für die Kirchenleute zu bereiten.
    In der Halle war es dämmerig. Die Lichter auf dem Tisch waren herabgebrannt, und das Feuer auf der Feuerstätte war fast erloschen. Kristin legte mehr Holz auf und blies die Glut an.
    Da sah sie, daß Orm in ihrem Stuhl saß. Er stand auf, sobald die Stiefmutter ihn gewahrte.
    „Aber Kind!“ sagte Kristin. „Bist du denn nicht mit deinem Vater und den anderen zur Messe geritten?“
    Orm schluckte ein paarmal hinunter.
    „Er vergaß, mich zu wecken, denke ich mir. Er sagte, ich solle mich ein wenig auf das Bett an der Südwand legen. Er würde mich wecken.“
    „Das ist schlimm, Orm“, meinte Kristin.
    Der Junge antwortete nicht. Nach einer Weile aber entgegnete er:
    „Ich glaubte, du seiest trotzdem mitgegangen - ich wachte auf und war ganz allein hier in der Halle.“
    „Ich war eine Weile drüben in der Kirche“, antwortete Kristin.
    „Wagst du denn in der Weihnachtszeit hinauszugehen?“ fragte der Junge. „Weißt du nicht, daß die Wilde Jagd hätte kommen und dich mitnehmen können?“
    „Es sind wohl nicht nur die bösen Mächte heute nacht unterwegs“, antwortete sie. „In der Weihnacht sind wohl alle Geister... Ich kannte einen Mönch, er ist jetzt tot; ich denke, er steht vor Gottes Antlitz, denn er war die Güte selbst. Er erzählte mir ... Hast du jemals von den Tieren im Stall gehört, wie sie in der Weihnacht miteinander redeten? Sie konnten in damaliger Zeit Lateinisch. Da krähte der Hahn: Christus natus est! Nein, jetzt weiß ich es nicht mehr genau. Die anderen Tiere fragten: Wo denn?, und die Ziege meckerte: Betlem, Betlem. Und das Schaf sagte: Eamus, eamus !“
    Orm lächelte höhnisch.
    „Hältst du mich für so ein Kind, daß du meinst, mich mit Geschichten trösten zu können? Du solltest mich auf den Schoß nehmen und mir die Brust geben.“
    „Ich sagte es wohl hauptsächlich, um mich selbst zu trösten, Orm“, entgegnete Kristin still. „Auch ich wäre gern mit in die Messe gegangen.“
    Nun ertrug sie es nicht mehr länger, den häßlichen Tisch anzusehen. Sie ging hin, kehrte alle Überreste in einen Trog und stellte diesen der Hündin auf den Boden hin. Dann suchte sie einen Graswisch unter der Bank hervor und reinigte die Tischplatte.
    „Willst du mit mir in das westliche Vorratshaus gehen, Orm, und Brot und Salzfleisch holen, damit wir zum heiligen Morgen decken können?“ fragte Kristin.
    „Warum läßt du das nicht deine Mägde tun?“ fragte der Knabe.
    „Bei mir daheim lehrten mich Vater und Mutter“, antwortete die junge Frau, „daß an Weihnachten keiner den anderen um etwas bitten solle, sondern jeder solle bestrebt sein, soviel wie möglich selbst zu tun. Der war am seligsten, der in den Feiertagen dem anderen am meisten dienen konnte.“
    „Aber mich bittest du doch“, sagte Orm.
    „Das ist etwas anderes - du bist ja der Sohn hier auf dem Hof.“
    Orm ergriff das Licht, und sie gingen miteinander über den Hofplatz. Drinnen im Vorratshaus füllte Kristin zwei Tröge mit Weihnachtskost. Sie nahm auch ein Bündel großer Talglichte. Während sie noch damit beschäftigt waren, sagte der Junge: „Das ist wohl Bauernbrauch, wovon du vorhin sprachst. Denn ich habe gehört, daß er nur ein Frieskittelbauer sei, der Lavrans Björgulvssohn.“
    „Von wem hast du das gehört?“ fragte Kristin.
    „Von Mutter“, sagte Orm. „Als wir das letztemal hier auf Husaby wohnten, hörte ich sie oft und oft zu Vater sagen, nun könne er sehen, daß nicht einmal ein grauer Bauer ihm

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