Kristin Lavranstochter 1
Spitze der Schar.
Hold muß so kleiner Fuß wohl sein in schönen Scharlachstrümpfen.“
Erlend lächelte, während er sang, Kristin sah zum Priester auf, ein wenig scheu - ob ihm vielleicht diese Weise von Sankt Olav und Alvhild nicht gefallen könnte. Gunnulv saß lächelnd da - jedoch, sie fühlte es plötzlich für gewiß, er lächelte nicht über die Weise, sondern über Erlend.
„Kristin braucht nicht zu singen. Dir ist jetzt wohl eng um die Brust, du Liebe“, sagte dieser und strich ihr über die Wange. „Aber jetzt kannst du .“ Er reichte seinem Bruder das Saitenspiel.
Man hörte es dem Spiel und Gesang des Priesters an, daß er in einer guten Schule gelernt hatte.
„Der König ritt nordwärts übers Gebirge ...
Er hört’ die Taube klagen dort:
Der Falke trug mein Herze fort!
Er ritt dem Falken nach so weit, der flog über Berge und Täler breit.
Er sah ihn in einen Garten ziehn, wo Blumen alle Tage blühn.
In diesem Garten ist ein Saal, behängt mit Purpur allüberall.
Dort liegt ein Ritter, verrinnend sein Blut, er ist unser Herr, so wacker und gut.
Der blaue Scharlach hüllt ihn ein, corpus domini ist gewebt darein.“
„Wo hast du diese Weise gelernt?“ fragte Erlend.
„Oh, ein paar junge Burschen sangen sie in Kanterborg vor der Herberge, in der ich wohnte“, sagte Gunnulv. „Ich versuchte sie in die norwegische Zunge umzudichten. Aber es klingt nicht so gut.“ Er saß da und spielte die Melodie auf den Saiten.
„Nein, Bruder - es ist weit über Mitternacht. Kristin kann es wohl nötig haben, in ihr Bett zu kommen. Bist du müde, mein Weib?“
Kristin blickte scheu zu den Männern auf; sie war sehr bleich.
„Ich weiß nicht. Ich darf mich jetzt wohl nicht in das Bett hier legen.“
„Bist du krank?“ fragten sie beide und beugten sich über sie.
„Ich weiß nicht“, sagte sie wie vorher. Sie griff rückwärts an die Hüften. „Es ist ein seltsames Gefühl im Rücken ...“ Erlend sprang auf und ging zur Tür.
Gunnulv folgte ihm.
„Es ist schlimm, daß ihr sie nicht rechtzeitig geholt habt, die Frauen, die ihr helfen sollen“, sagte er. „Ist es viel früher, als sie erwartet hat?“
Erlend wurde brennend rot.
„Kristin meinte, sie brauche niemand anderen als ihre Mägde. Die haben selbst Kinder gehabt, einige unter ihnen“, er versuchte zu lachen.
„Du bist nicht ganz bei Trost!“ Gunnulv sah ihn an. „Jedes Häuslerweib hat die Nachbarsfrauen bei sich, wenn ihre Stunde kommt - soll dein Weib sich in den Winkel verkriechen und sich verstecken wie eine Katze, die werfen will? Nein, Bruder, so viel Mann mußt du sein, daß du die besten Hausfrauen im Tal für Kristin herbeiholst.“
Erlend neigte sein schamrotes Gesicht.
„Du sprichst die Wahrheit, Bruder. Ich will selber nach Raasvold hinunterreiten - zu den anderen Höfen kann ich die Männer schicken. Bleibe du dann bei Kristin!“
„Willst du Weggehen?“ fragte Kristin entsetzt, als Erlend seinen Umhang nahm.
Er trat auf sie zu und umfaßte sie.
„Ich will die besten Frauen für dich holen, meine Kristin. Gunnulv bleibt bei dir, während die Mägde die Kleinstube für dich herrichten“, sagte er und küßte sie.
„Kannst du nicht nach Audfinna Audunstochter senden?“ bat sie. „Aber nicht ehe es Morgen wird - ich will nicht, daß sie um meinetwillen aus dem Schlaf geweckt wird, sie hat viel Arbeit, das weiß ich.“
Gunnulv fragte den Bruder, wer Audfinna sei.
„Das will mir nicht ziemlich scheinen“, meinte der Priester. „Das Weib eines deiner Pachtbauern ...“
„Kristin soll es so haben, wie sie will“, erklärte Erlend. Und während der Bruder ihn hinausbegleitete und Erlend auf sein Pferd wartete, erzählte er, wie Kristin mit der Bäuerin bekannt geworden war. Gunnulv biß sich auf die Lippe und sah gedankenvoll drein.
Jetzt entstanden Lärm und Leben auf dem Hof, Männer ritten fort, und Frauen kamen hereingelaufen und fragten, wie es
der Herrin gehe. Kristin sagte, es sei noch nicht gefährlich mit ihr, aber sie sollten in der Kleinstube alles zurechtmachen. Sie würde Bescheid sagen lassen, wenn sie dorthin begleitet werden wolle.
Dann war sie allein mit dem Geistlichen. Sie gab sich Mühe, gleichmäßig und munter wie zuvor mit ihm zu sprechen.
„Du fürchtest dich nicht, du, Kristin?“ sagte er mit einem kleinen Lächeln.
„Doch, ich fürchte mich!“ Sie blickte in seine Augen auf -ihre eigenen waren schwarz und erschrocken. „Weißt du, Schwager - ob sie
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