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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Handhabung des Saitenspiels nicht viel tauge. Aber auf die Bücher war sie neugierig.
    „Ja, du hast wohl gelernt, in Büchern zu lesen, Kristin?“ fragte der Priester. Und nun konnte sie ein wenig stolz antworten, daß sie dies alles bereits in ihrer Kindheit gelernt
    * Eine Art einfacher Zither.
    habe und daß sie im Kloster für ihre Tüchtigkeit im Lesen und Schreiben gelobt worden sei.
    Meister Gunnulv stand lächelnd über sie gebeugt, während sie in den Büchern blätterte. Das eine enthielt eine Rittersage von Tristan und Isolde, und das andere handelte von heiligen Männern - sie schlug es bei der Sankt-Marteins-Sage auf. Das dritte Buch war lateinisch und besonders schön mit großen bunten Kapitalbuchstaben gemalt.
    „Das hat unserem Ahnherrn Bischof Nikulaus gehört“, sagte Gunnulv.
    Kristin las halblaut:
    Averte faciem tuam a peccatis rneis et omnes iniquitates meas dele. Cor mundum crea in me, Deus, et spiritum rectum innova in visceribus meis. Ne projicias me a facie tua et Spiritum Sanctum tuum ne auferas a me*
    „Verstehst du das?“ fragte Gunnulv, und Kristin nickte und sagte, daß sie wohl ein wenig verstünde. Sie kannte die Wörter so einigermaßen gut, und es berührte sie seltsam, daß sie ihr gerade jetzt vor Augen kommen sollten. Es zuckte ein wenig in ihrem Gesicht, und die Tränen wollten hervorbrechen. Da nahm Gunnulv das Saitenspiel auf den Schoß und sagte, er wolle versuchen, es instand zu setzen.
    Während sie so dasaßen, hörten sie Pferdegetrappel auf dem Hofplatz - gleich darauf stürmte Erlend in die Halle herein, strahlend froh; er hatte gehört, wer gekommen war. Die Hände einander auf die Schultern gelegt, standen die Brüder da; Erlend fragte und wartete nicht auf Antwort. Gunnulv war zwei Tage in Nidaros gewesen, und es war ein Zufall, daß sie dort einander nicht getroffen hatten.
    „Das ist doch merkwürdig“, meinte Erlend. „Ich hätte geglaubt, die ganze Geistlichkeit an der Christkirche müßte dir in Prozession entgegengehen, wenn du heimkommst - so weise und überaus gelehrt, wie du nun sein mußt.“
    „Kannst du denn wissen, du, ob sie es nicht taten?“ fragte der Bruder lächelnd. „Du kommst der Christkirche nicht allzu nahe, wenn du in der Stadt bist, habe ich gehört.“
    „Nein, Junge - ich dränge mich nicht an meinen Herrn Erzbischof heran, wenn ich es vermeiden kann; er hat mir einmal
    * (lat.) Verbirg dein Antlitz von meinen Sünden und tilge alle meine Missetat. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, gewissen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir! (Ps. 51, 11-13) den Pelz verbrannt“, lachte Erlend übermütig. „Wie gefällt dir der Schwager, Allerliebste? - Wie ich sehe, hast du dich mit Kristin schon angefreundet, Bruder. Sie macht sich wenig aus unseren übrigen Verwandten.“
    Erst als sie sich zum Abendtisch setzen wollten, merkte Erlend, daß er noch in Pelzmütze und Umhang war und das Schwert noch am Gürtel hängen hatte.
    Es wurde der lustigste Abend, den Kristin auf Husaby verlebt hatte. Erlend zwang den Bruder, mit Kristin im Hochsitz Platz zu nehmen; er selbst schnitt ihm das Essen zurecht und schenkte ihm in seinen Becher ein. Als er Gunnulv das erstemal zutrank, ließ er sich auf ein Knie nieder und wollte dem Bruder die Hand küssen.
    „Heil und Glück, Herr! Wir müssen lernen, Kristin, dem Erzbischof geziemend Ehren zu erweisen - ja, gewiß wirst du wohl einmal Erzbischof, du, Gunnulv!“
    Das Gesinde verließ die Halle erst spät, aber die Brüder und Kristin blieben noch weiterhin beim Trunk sitzen. Erlend hatte sich auf den Tisch gesetzt und wandte seinem Bruder das Gesicht zu.
    „Ja, ich dachte auf meiner Hochzeit daran“, sagte er und deutete auf die Truhe der Mutter, „dachte daran, daß Kristin sie bekommen sollte. Aber ich vergesse so leicht, und du, Bruder, vergißt nichts. Aber der Ring unserer Mutter ist an eine schöne Hand gekommen, sollte ich meinen.“ Er nahm Kristins Hand auf sein Knie und spielte mit ihrem Verlobungsring.
    Gunnulv nickte. Er legte das Psalterium in Erlends Schoß.
    „Sing jetzt, Bruder, du sangst früher so schön und spieltest so gut.“
    „Das ist nun viele Jahre her“, sagte Erlend ernsthafter. Dann ließ er die Finger über die Saiten gleiten.
    „König Olav, Haralds Sohn, ritt im dichten Wald, fand eine kleine Fußspur dort, hört die große Sage.
    Sprach er da, Finn Arnessohn, er ritt an der

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