Kristin Lavranstochter 1
zurück.
Die Mägde kamen mit den Speisen für den Abend in die Halle herein - sie stellten den Tisch nicht auf, sondern setzten alles bei der Feuerstätte ab. Die Männer nahmen Brot und Fisch und gingen zu den Bänken, saßen schweigend auf ihren Plätzen, aßen ein wenig, aber niemand schien große Eßlust zu haben. Niemand kam, um die Schüsseln nach der Mahlzeit hinauszutragen, und keiner von den Leuten erhob sich, um schlafen zu gehen. Sie blieben sitzen, blickten ins Feuer und redeten nicht miteinander.
Erlend hatte sich in den Winkel beim Bett verkrochen - er ertrug es nicht, daß jemand sein Gesicht sah.
Meister Gunnulv hatte eine kleine Tranlampe angezündet und sie auf die Armlehne des Hochsitzes gestellt. Er setzte sich daneben auf die Bank, mit einem Buch in der Hand - unaufhörlich un ' lautlos bewegten sich seine Lippen ganz wenig.
Einmal stand Ulv Haldorssohn auf, trat zur Feuerstätte vor und nahm ein Stück weiches Brot, suchte ein wenig unter den Holzscheiten und nahm eines davon. Dann ging er hinüber in den Winkel bei der Eingangstüre, wo der alte Aan saß. Die beiden machten sich, hinter Ulvs Umhang verborgen, mit dem Brot zu schaffen; Aan schnitzte und schnitt an dem Holzscheit herum. Ab und zu schielten die anderen Männer zu ihnen hin. Nach einer Weile standen die beiden auf und verließen die Halle.
Gunnulv sah ihnen nach, sagte jedoch nichts. Er fuhr wieder in seinen Gebeten fort.
Einmal fiel ein junger Bursche von der Bank herunter - fiel im Schlaf auf den Boden. Er erhob sich - blickte verwirrt um sich. Dann seufzte er ein wenig und setzte sich wieder hin.
Ulv Haldorssohn und Aan kamen still herein und gingen zu den Plätzen, auf denen sie vorher gesessen hatten. Die Männer blickten zu ihnen hinüber, aber niemand sagte etwas. Plötzlich sprang Erlend auf. Er ging durch die Halle zu seinen Leuten hinüber. Er war hohläugig, und sein Gesicht war grau wie Lehm.
„Weiß keiner von euch einen Rat“, sagte er. „Du, Aan!“ flüsterte er.
„Es hat nicht geholfen“, gab Ulv ebenso leise zur Antwort.
„Es ist wohl so bestimmt, daß sie dieses Kind nicht besitzen soll“, sagte Aan und wischte sich die Nase. „Da nützen weder
Blut noch Runen. Es ist ein Jammer, Erlend, daß du diese freundliche Frau so bald verlieren sollst.“
„Ach, red doch nicht, als wäre sie schon tot“, bat Erlend, gebrochen und verzweifelt. Er ging zu seinem Winkel zurück und warf, sich mit dem Kopf gegen das Fußende des Schrankbettes.
Einmal ging ein Mann hinaus und kam wieder herein.
„Der Mond ist aufgegangen“, sagte er. „Es ist bald Morgen.“
Kurz darauf trat Frau Gunna in die Halle. Sie sank auf der Bettlerbank bei der Türe zusammen - ihr graues Haar stand gesträubt, das Kopftuch war auf den Rücken geglitten. Die Männer erhoben sich, kamen langsam auf sie zu.
„Einer von euch muß hinübergehen und sie halten“, sagte sie weinend. „Wir können nicht mehr. Du mußt zu ihr gehen, Gunnulv - man kann nicht wissen, was für ein Ende dies nehmen wird.“
Gunnulv stand auf und schob das Gebetbuch in die Gürteltasche.
„Auch du mußt kommen, Erlend“, sagte Frau Gunna.
Das rauhe und gebrochene Brüllen begegnete ihm in der Türe - Erlend blieb bebend stehen. Er sah einen Schimmer von Kristins verzerrtem, unkenntlichem Gesicht zwischen einigen weinenden Frauen - sie lag auf den Knien, und die anderen stützten sie.
Unten bei der Türe knieten ein paar dienende Frauen zusammengesunken vor den Bänken; sie beteten laut und unablässig. Erlend warf sich bei ihnen hin und barg seinen Kopf in den Armen. Kristin schrie und schrie, und jedesmal war es, als erstarre er in ungläubigem Entsetzen. Es konnte doch nicht so sein ...
Einmal wagte er hinüberzublicken. Jetzt saß Gunnulv auf einem Hocker vor ihr und hielt sie unter den Armen. Frau Gunna kniete an ihrer Seite und hatte die Arme um ihren Leib geschlungen, aber Kristin kämpfte in Todesangst dagegen und wollte die Frau wegdrängen.
„O nein, o nein, laß mich los - ich kann nicht; Gott, Gott, hilf mir ...“
„Gott wird dir jetzt bald helfen, Kristin“, sagte der Priester jedesmal. Eine Frau hielt eine Schüssel mit Wasser bereit, und nach jeder Wehe befeuchtete der Priester ein Tuch und fuhr damit der Kranken über das Gesicht - bis in die Haarwurzeln hinein und zwischen die Lippen, aus denen Schleim floß.
Dann warf Kristin den Kopf in Gunnulvs Arme und versank einen Augenblick in Schlaf - aber die Qualen rissen sie
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