Kristin Lavranstochter 1
wirst für mich beten, Gunnulv?“ fragte sie bettelnd.
„Ich werde so lange für dich beten, bis ich dich mit deinem Kinde auf dem Arm gesehen habe - und auch später noch“, sagte er und schob ihre Hände wieder unter das Webstück.
Kristin lag im Halbschlummer da. Sie fühlte sich fast wohl. Die Schmerzanfälle in ihren Lenden kamen und gingen und kamen wiederum - doch waren sie so ganz anders als alles, was sie bisher kannte, daß sie jedesmal, wenn es vorüber war, fast meinte, sie habe sich dies alles nur eingebildet. Nach der Qual und dem Grauen der frühen Morgenstunden hatte sie ein Gefühl, als sei sie bereits über die schlimmste Angst und Pein hinübergerettet. Audfinna bewegte sich so still und hängte Kinderwäsche auf, Decken und Felle, um sie an der Feuerstätte zu wärmen - rührte ein wenig in ihren Töpfen, so daß es im Raum nach Kräutern roch. Schließlich schlummerte Kristin so halb und halb zwischen jedem Wehenanfall und glaubte sich daheim im Brauhaus auf Jörundhof, wo sie ihrer Mutter helfen sollte, ein großes Webstück zu färben - es war wohl der Dampf der Eschenrinde und der Nesseln.
Dann kamen die Wehmütter, eine nach der anderen: die Frauen von den Höfen im Tale und in Birgsi. Audfinna zog sich unter die dienenden Frauen zurück. Gegen den Abend fühlte Kristin große Schmerzen. Die Frauen sagten, sie solle auf und ab gehen, solange sie dies vermöchte. Das quälte sie sehr, die ganze Stube war jetzt voll von Frauen, und sie mußte zwischen ihnen umhergehen wie eine Stute, die verkauft werden soll. Von Zeit zu Zeit mußte sie es dulden, daß die fremden Frauen sie mit ihren Händen drückten und betasteten, und dann redeten sie miteinander. Schließlich sagte Frau Gunna von Raasvold, die alles in der Stube anzuordnen hatte, Kristin könne sich nun auf den Boden legen. Frau Gunna teilte die Frauen ein, einigen gebot sie zu schlafen und den anderen zu wachen. „Ja, es wird nicht schnell gehen - aber schrei nur, Kristin, wenn es weh tut, und kümmere dich nicht um die Schlafenden. Wir sind ja doch alle hier, um dir zu helfen, armes Kind“, sagte sie mild und gut und streichelte der Jungen die Wangen.
Kristin lag da und zerbiß sich die Lippen und zerknüllte die Decken in ihren schweißfeuchten Händen. Es war quälend
heiß in der Stube - aber die Frauen sagten, es müsse so sein. Nach jeder Wehe rann ihr der Schweiß herab.
Dazwischen lag sie da und dachte an das Essen für all die Frauen. Sie wollte so gern vor deren Augen ihr Haus in guter Ordnung wissen. Torbjörg, der Köchin, hatte sie geboten, Molke in das Wasser zu tun, in dem der frische Fisch gekocht wurde. Wenn nur Gunnulv dies nicht für eine Übertretung des Fastengebotes ansah. Sira Eirik hatte gesagt, es wäre dies keine Übertretung, denn Molke sei keine Milch, und die Fischbrühe würde ja auch weggeschüttet. Den getrockneten Fisch, den Erlend im Herbst fürs Haus beschafft hatte, durften sie nicht zu kosten bekommen - so verdorben und voller Würmer, wie er war.
„Selige Jungfrau Maria, wird es lange dauern, bis du mir helfen wirst, glaubst du wohl - oh, jetzt tut es so weh, so weh ...“ Sie mußte versuchen, noch ein wenig auszuhalten, ehe sie sich nachgab und schrie.
Audfinna saß bei der Feuerstätte und achtete auf die Wasserkessel. Kristin wünschte so sehr, sie hätte Mut genug zu der Bitte, Audfinna solle herkommen und ihre Hand halten. Sie wußte nicht, was sie dafür gegeben hätte, jetzt eine bekannte und freundliche Hand halten zu dürfen. Aber sie scheute sich, darum zu bitten.
Während des nächsten Vormittags lag eine Art verschüchterter Stille über Husaby. Es war der Tag vor der Mariamesse, und die Hofarbeit sollte bis zur None getan sein, aber die Männer waren zerstreut und nachdenklich, und die aufgeschreckten Mägde verrichteten ihre Arbeit unachtsam. Die Leute hatten ihre junge Herrin liebgewonnen - und es hieß, es ginge ihr nicht gut.
Erlend stand draußen auf dem Hofplatz und sprach mit seinem Schmied. Er versuchte mit seinen Gedanken bei der Sache zu bleiben, über die der Schmied sprach. Da kam Frau Gunna rasch auf ihn zu.
„Es will mit deinem Weib nicht vorwärtsgehen, Erlend; wir haben jetzt alle Mittel versucht. Du mußt mitkommen - vielleicht kann es helfen, wenn sie auf deinen Schoß gesetzt wird. Geh doch hinein zu ihr und ziehe einen kurzen Kittel an, aber mach rasch; sie hat es so schwer, das arme junge Weib!“
Erlend war blutrot geworden. Er erinnerte sich: im
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