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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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runde, magere Gesicht unter dem schwarzen Haarkranz war so stark, aber er lächelte schön und gut.
    Erlend stieß seinen Dolch tief in die Balkenwand hinter der Mutter und dem Kinde.
    „Das ist jetzt nicht mehr nötig“, sagte der Pfarrer lächelnd. „Der Knabe ist ja getauft.“
    Kristin erinnerte sich an etwas, was Bruder Edvin einmal gesagt hatte. Ein neugetauftes Kind sei ebenso heilig wie die heiligen Engel im Himmel. Die Sünden der Eltern seien von ihm abgewaschen, und es selbst habe ja noch nicht gesündigt. Scheu und behutsam küßte sie das kleine Gesicht.
    Frau Gunna trat zu ihnen heran. Sie war erschöpft und müde und erzürnt über den Vater, da er nicht daran gedacht hatte, den helfenden Frauen mit einem Wort zu danken. Und der Geistliche hatte ihr das Kind weggenommen und es der Mutter gebracht - das wäre ihr Amt gewesen, sowohl weil sie die Frau entbunden als auch weil sie die Patin des Knaben war.
    „Du hast deinen Sohn noch nicht begrüßt, Erlend, oder ihn auf deine Arme genommen“, sagte sie böse.
    Erlend nahm das Wickelkind aus den Armen der Mutter, beugte sein Gesicht einen Augenblick zu ihm hinab.
    „Ich werde dich wohl kaum so ganz lieben können, bevor ich vergessen habe, daß du deine Mutter so entsetzlich gequält hast“, sagte er und legte den Knaben wiederum zu Kristin.
    „Ja, gib ihm nur die Schuld dafür“, sagte die alte Frau zornig. Meister Gunnulv lachte, und da lachte auch Frau Gunna mit. Sie wollte das Kind nehmen und es in die Wiege legen, aber Kristin bat so sehr darum, es noch eine Weile bei sich haben zu dürfen. Gleich darauf schlief sie ein, den Sohn im Arm - fühlte kaum noch, wie Erlend sie berührte, vorsichtig, als habe er Angst, ihr dadurch weh zu tun, und schlief wieder weiter.

5
    Am zehnten Tag nach der Geburt des Kindes sagte Meister Gunnulv zu seinem Bruder, als sie am Morgen allein in der Halle waren:
    „Jetzt ist es wohl an der Zeit, Erlend, daß du den Verwandten deiner Frau Botschaft sendest, wie es um sie steht."
    „Ich meine, es hat keine solche Eile“, erwiderte Erlend. „Sie werden auf Jörundhof kaum so übermäßige Freude empfinden, wenn sie erfahren, daß hier bereits ein Sohn auf dem Hof ist.“ „Kannst du glauben“, fragte Gunnulv, „daß Kristins Mutter nicht schon im Herbst begriffen haben sollte, wie es um ihre Tochter stand ? Da ist sie jetzt doch wohl besorgt.“
    Erlend erwiderte nichts.
    Aber ein wenig später am selben Tag, als Gunnulv in der Kleinstube saß und mit Kristin sprach, kam Erlend herein. Er trug eine Pelzmütze auf dem Kopf, einen kurzen und dicken Überrock aus Fries, lange Hosen und zottige Stiefel. Er beugte sich über seine Frau und klopfte ihr die Wange.
    „Nun, meine Kristin - soll ich auf Jörundhof Grüße ausrichten? Denn ich gehe jetzt dorthin nach Süden und überbringe die Nachricht von unserem Sohn.“
    Kristin stieg das Blut heiß in die Wangen - sie sah zugleich erschrocken und froh aus.
    „Es ist nicht mehr, als dein Vater von mir verlangen kann“, sagte Erlend. „Daß ich selbst mit dieser Nachricht komme.“ Kristin lag eine Weile still da.
    „Sag ihnen daheim“, bat sie leise, „daß ich mich jeden Tag, seit ich von daheim wegfuhr, danach gesehnt habe, Vater und Mutter zu Füßen zu fallen und um ihre Verzeihung zu betteln.“ Kurz darauf ging Erlend. Kristin dachte nicht daran, zu fragen, auf welche Art er reisen wolle. Aber Gunnulv folgte dem Bruder auf den Hofplatz hinaus. Vor der Türe zur Halle standen Erlends Schneeschuhe und ein Stab mit einer Speerspitze.
    „Du gehst auf Schneeschuhen?“ sagte Gunnulv. „Wer wird dich begleiten?“
    „Niemand“, antwortete Erlend lachend. „Das solltest du doch am besten wissen, Gunnulv, daß es für niemand leicht ist, auf Schneeschuhen mit mir gleichen Schritt zu halten.“
    „Dies dünkt mich verwegen“, meinte der Priester. „Es gibt dieses Jahr viele Wölfe in den Hochwäldern, wie man erzählt.“
    Erlend lachte nur und trat in die Schneeschuhe.
    „Ich denke, daß ich vor Einbruch der Dunkelheit die Gjeitskarsalmen oben erreichen werde. Es bleibt jetzt schon länger hell. Ich kann am Abend des dritten Tages auf Jörundhof sein.“
    „Von Gjeitskar bis zum Fahrweg ist ein ungünstiger Weg -dort sind auch schlimme Nebellöcher. Und du weißt, daß es im Winter auf den Almen nicht ganz geheuer ist.“
    „Du kannst mir ja deinen Feuerstahl leihen“, sagte der andere wie zuvor, „für den Fall, daß ich genötigt sein sollte,

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