Kristin Lavranstochter 1
und ihn verwenden können... Aber so, wie die Welt jetzt war, wo sich jedermann in vielen Dingen auf sein eigenes Urteil verlassen mußte - und ein Mann in Erlends Verhältnissen mußte ja für sein eigenes Wohl und das vieler Menschen sorgen. Und das war Kristins Gatte.
Erlend blickte zum Schwiegervater auf und wurde selbst ernsthaft. Dann sagte er:
„Ich will Euch um eins bitten, Lavrans, ehe wir zu mir heimkommen - daß Ihr mir sagen sollt, was Ihr wohl auf dem Herzen habt.“
Lavrans schwieg.
„Ihr wißt“, sagte Erlend wie zuvor, „ich will Euch gern zu Füßen fallen, wie immer Ihr es auch wünscht, und ich will so büßen, wie es Euch als geziemende Züchtigung für mich dünkt.“ Lavrans blickte in das Gesicht des jungen Mannes hinab -dann lächelte er absonderlich.
„Es dürfte schwierig sein, Erlend - für mich, es zu sagen, und für dich, es zu tun. - Du mußt nun der Kirche auf Sundbu und auch den Priestern, die ihr zu Narren gemacht habt, ein gehöriges Geschenk geben“, sagte er heftig. „Ich will nicht mehr darüber reden! Mit deiner Jugend kannst du dich auch nicht entschuldigen. Ehrenhafter wäre es gewesen, Erlend, wenn du mir zu Füßen gefallen wärst, ehe ich euere Hochzeit ausrichtete.“ „Ja“, sagte Erlend. „Aber damals wußte ich nicht, daß die Sachen so standen und daß die Kränkung, die ich Euch zugefügt hatte, eines Tages ans Licht kommen mußte.“
Lavrans setzte sich aufrecht.
„Wußtest du nicht, als du heiratetest, daß Kristin . . .“
„Nein“, sagte Erlend und sah verzagt aus. „Wir waren fast zwei Monate miteinander verheiratet, ehe ich es merkte.“
Lavrans sah ihn etwas erstaunt an, sagte jedoch nichts. Da begann Erlend wiederum, schwach und unsicher:
„Ich bin froh, Schwiegervater, daß Ihr mitkamt; Kristin war den ganzen Winter über so schwermütig - sie mochte kaum ein Wort mit mir reden. Gar manches Mal schien es mir, als könne sie weder auf Husaby noch mit mir zusammen leben.“
Ein wenig kalt und abweisend erwiderte Lavrans:
„So ist es wohl mit allen jungen Frauen. Jetzt, da sie wieder gesund ist, werdet ihr wohl ebenso gute Freunde werden wie zuvor“, sagte er und lächelte ein wenig spöttisch.
Aber Erlend saß da und starrte in den Gluthaufen. Jetzt wußte er es plötzlich bestimmt - aber gefühlt hatte er es vom ersten Augenblick an, da er das kleine rote Kindergesicht an Kristins weißer Schulter erblickt hatte. Es würde nun nie wieder so zwischen ihnen, wie es gewesen war.
Als der Vater zu Kristin in die Kleinstube trat, setzte sie sich im Bett aufrecht und streckte die Hände nach ihm aus. Sie schlang die Arme um seine Schultern und weinte und weinte, bis Lavrans ganz ängstlich wurde.
Sie war eine Zeitlang aufgewesen, hatte dann aber erfahren, daß Erlend allein fortgewandert war, und als seine Heimkunft sich hinauszog, ängstigte sie sich so sehr, daß ein Fieber hinzukam. Da mußte sie wieder zu Bett.
Man merkte, wie schwach sie noch war - sie weinte um alles und jedes. - Der neue Hauskaplan, Sira Eiliv Serkssohn, war in Erlends Abwesenheit auf den Hof gekommen. Er wollte Kristin manchmal vorlesen - aber sie weinte so unvermutet bei allen möglichen Dingen, daß er bald nicht mehr wußte, was er sie hören lassen durfte.
Eines Tages, als der Vater bei ihr saß, wollte Kristin das Kind selbst wickeln, damit er richtig sehen könne, wie schön und gut gewachsen der Knabe sei. Da lag er nackt zwischen den Windeln auf der Decke vor ihr und zappelte.
„Was ist das für ein Mal hier auf seiner Brust?“ fragte Lavrans.
Gleich über dem Herzen hatte das Kind ein paar kleine blutrote Flecke - es sah aus, als habe dort eine blutige Hand den Knaben berührt. Kristin war damals, als sie das Zeichen zum erstenmal sah, selbst erschrocken. Aber sie hatte versucht, sich zu trösten, und sagte auch jetzt:
„Es ist wohl nur ein Feuermal - ich griff mir an die Brust, als ich die Kirche brennen sah.“
Den Vater durchfuhr ein Stich. Ja. Er wußte ja nicht, wie lange oder wieviel sie verborgen hatte. Und er begriff nicht, daß sie, sein eigenes Kind, es über sich gebracht hatte - vor ihm...
„Ich glaube nicht, daß Ihr meinen Sohn so richtig liebhabt“, sagte Kristin oftmals zu ihrem Vater, und Lavrans lachte leise und antwortete, doch, das tue er. Er hatte auch sowohl auf die Wiege wie auf das Bett der Wöchnerin reiche Gaben gelegt. Aber Kristin fand, daß niemand ihren Sohn genügend liebe -Erlend am allerwenigsten. „Schaut
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