Kristin Lavranstochter 1
Zeit zu Zeit zu Lavrans - er legte den Arm um sie, wenn sie sich an seine Knie lehnten, aber er ging nur zerstreut auf ihre Fragen ein. Ramborg antwortete kurz und spitz, wenn Erlend mit ihr scherzen wollte - sie wollte zeigen, daß sie diesen Schwager nicht liebte. Sie war jetzt im achten Winter, frisch und schön, aber sie glich ihren Schwestern nicht.
Erlend fragte, wer die anderen Kinder seien. Lavrans erwiderte, der Knabe sei Haavard Trondssohn, das jüngste Kind auf Sundbu. Es war so langweilig für ihn dort zwischen den erwachsenen Geschwistern, da hatte sich nun der Knabe zu Weihnachten ausgedacht, daß er mit seiner Muhme, der Schwester seines Vaters, hierherkommen wolle. Das Mädchen war Helga Rolvstochter - als die Verwandten nach dem Leichenbegängnis heimzogen, hatten sie die Kinder von Blakarsarv mitnehmen müssen, es war ein allzu großer Jammer für die Kinder, ihren Vater in diesem Zustande zu sehen. Für Ramborg bedeuteten diese Pflegegeschwister Unterhaltung und Gesellschaft. „Wir fangen jetzt an zu altern, Ragnfrid und ich“, sagte Lavrans. „Und diese hier ist ausgelassener und spielerischer, als Kristin war.“ Er fuhr der Tochter über das gelockte Haar.
Erlend setzte sich neben die Schwiegermutter, und sie fragte ihn über Kristins Wochenbett aus. Erlend sah, daß der Schwiegervater ihnen beiden zuhörte. Dann stand Lavrans auf und nahm Hut und Umhang. Er wolle zum Pfarrhof hinübergehen, sagte er - und Sira Eirik bitten, zu ihnen zum Bier zu kommen.
Lavrans folgte dem festgetretenen Weg über die Äcker nach Romundhof. Der Mond war im Begriff, unterzugehen - aber über den weißen Bergen funkelten Tausende von Sternen. - Lavrans hoffte, den Priester daheim anzutreffen - er brachte es nicht länger über sich, allein bei den anderen zu sitzen.
Aber als er sich auf dem Weg zwischen den Zäunen beim
Hofe befand, sah er ein kleines Licht auf sich zukommen. Der alte Audun trug es - als er hörte, daß Menschen auf dem Weg waren, klingelte er mit der kleinen Silberglocke. Lavrans Björgulvssohn warf sich im Schnee des Wegrandes auf die Knie.
Audun ging vorüber, mit dem Licht und mit der Glocke, deren Ton dünn und sanft durch die Luft klang. Hinterher ritt Sira Eirik. Er hob das Allerheiligste in die Höhe, als er an dem knienden Mann vorbeikam, blickte nicht zur Seite, sondern ritt still vorbei, während Lavrans sich verneigte und die Hände seinem Erlöser zum Gruß entgegenstreckte.
Es war der Sohn von Einar Hnufa, der dem Priester folgte
- so ging es also mit dem Alten jetzt zu Ende! Ach ja. Lavrans sprach die Gebete für Sterbende, ehe er sich erhob und heimging. Diese nächtliche Begegnung mit Gott hatte ihn trotzdem sehr gestärkt und getröstet.
Als sie sich zur Ruhe gelegt hatten, fragte er seine Frau:
„Wußtest du etwas davon - daß es so um Kristin stand?“
„Wußtest du es nicht?“ sagte Ragnfrid.
„Nein“, erwiderte der Mann kurz, und sie konnte daraus entnehmen, daß es ihm trotzdem dann und wann durch den Kopf gegangen war.
„Ich hatte wohl im Sommer hier eine Zeitlang Angst“, sagte die Mutter zögernd. „Ich sah, daß sie die Speisen nicht vertrug. Dann aber dachte ich, ich hätte mich geirrt. Sie schien die ganze Zeit, während wir die Vorbereitungen zur Hochzeit trafen, so froh zu sein.“
„Ja, sie hatte ja auch allen Grund dazu“, meinte der Vater ein wenig spöttisch. „Aber daß sie dir nichts sagte - dir, ihrer Mutter..."
„Ja, jetzt denkst du daran, jetzt, da sie gefehlt hat“, antwortete Ragnfrid bitter. „Du weißt doch, Kristin hat nie Zuflucht bei mir gesucht.“
Lavrans sagte nichts mehr. Bald darauf wünschte er seiner Frau freundlich gute Nacht und legte sich still neben sie. Er fühlte, daß er lange Zeit keinen Schlaf finden würde.
Kristin - Kristin, sein kleines Mädchen.
Nie hatte er mit einem Wort an das gerührt, was Ragnfrid ihm in jener Nacht gestanden hatte. Und wenn sie nur ein wenig gerecht war, so konnte sie nicht sagen, er habe sie fühlen lassen, daß er daran dachte. Er hatte sein Wesen ihr gegenüber nicht geändert, hatte eher danach getrachtet, ihr noch mehr Freundschaft und Liebe zu erweisen. Aber es war nicht das erstemal in diesem Winter, daß er solche Bitterkeit bei Ragnfrid bemerkt oder daß er es erlebt hatte, wie sie in unschuldigen Worten von ihm nach einer versteckten Kränkung suchte. Er begriff es nicht, und er wußte es nicht zu ändern - mochte es denn so sein.
Vater unser, der du bist im
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