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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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nach. So schön wie jetzt war sie nie gewesen - groß und schlank in dem einfachen erdbraunen Kleid aus ungefärbtem Fries. Das Frauentuch aus grobem Leinen, das Haar und Hals und Schultern verhüllte, konnte nur noch stärker zeigen, wie schimmernd hell ihre Haut geworden war. Wenn die Frühlingssonne unmittelbar auf ihr Gesicht fiel, so war es, als dringe das Licht in ihr Fleisch ein - so zart war Kristin; Augen und Lippen wurden wie durchsichtig. Wenn er in die Kleinstube kam, um das Kind anzusehen, so schlug sie die großen weißen Augenlider nieder, sobald er sie ansah - sie schien so schamhaft und rein, daß er kaum wagte, ihre Hand mit seinen Fingern zu berühren. Wenn sie Naakkve an der Brust hatte, legte sie einen Zipfel ihres Kopftuches über den kleinen Schimmer ihres weißen Körpers. Es war, als wollte man seine Frau geradezu von ihm weg in den Himmel senden.
    Dann scherzte er halb ärgerlich mit dem Bruder und dem Schwiegervater, wenn sie des Abends in der Halle saßen -lauter Männer. Husaby sei ja eine richtige Kollegiatkirche geworden. Hier lebten nun Gunnulv und Sira Eiliv - den Schwieger könne man für einen halben Priester rechnen -, und jetzt wollten sie auch ihn noch zu einem Priester machen. Das gab dann drei Priester auf dem Hof. Aber die anderen lachten über ihn.
    In diesem Frühjahr nahm sich Erlend Nikulaussohn seines Hofes sehr an. Dieses Jahr wurden alle Zäune ausgebessert und die Gattertüren rechtzeitig eingesetzt, das Pflügen und die Frühjahrsarbeiten wurden gründlich und zeitig abgetan, und Erlend kaufte wunderschönes Stallvieh. Er hatte zu Neujahr einen Teil des alten Bestandes schlachten müssen, und sehr schade war es nicht gewesen um all das alte jämmerliche Vieh, das er im Stall gehabt hatte. Er verschaffte sich Leute zum Teerbrennen und zum Sammeln von Birkenrinde, die Häuser des Hofes wurden abgedichtet und die Dächer ausgebessert. Husaby war seit der Zeit, da der alte Herr Nikulaus noch bei vollen Kräften war, nicht mehr so gut instand gehalten worden. Ja, Erlend suchte Rat und Stütze bei dem Vater seiner Frau, erzählten sich die Leute. Zwischen all dieser Arbeit fuhr Erlend von Zeit zu Zeit mit seinem Bruder, dem Priester, und Lavrans zu Freunden und Verwandten in der Umgegend. Jetzt aber fuhr er auf anständige Weise mit ein paar tüchtigen und ordentlichen Männern. Früher war Erlend mit einem ganzen Gefolge von zuchtlosen und verrückten Kerlen umhergeritten. Das so lange gärende ärgerliche Gerede der Leute über Erlend Nikulaussohns schamloses Leben und über die Vernachlässigung und Zerstörung auf Husaby sank zu gutgelauntem Scherz zusammen. Die Leute lächelten und sagten, Erlends junge Hausfrau habe in sechs Monaten viel zuwege gebracht.
    Einige Zeit vor der Botolvsmesse ritten Lavrans Björgulvssohn und Meister Gunnulv nach Nidaros. Lavrans sollte einige Tage lang Gast des Priesters sein, er wollte in Nidaros das Heiligtum Sankt Olavs und die anderen Kirchen in der Stadt aufsuchen, ehe er wieder heimwärts nach Süden zog. Von seiner Tochter und ihrem Mann trennte er sich in Liebe und Freundschaft.

6
    Kristin sollte drei Tage nach der Seljumannamesse (8. Juli) nach Nidaros gehen - gegen Ende des Monats begann schon die Unruhe und Geschäftigkeit in der Stadt vor der Olavsmesse, und eher war der Erzbischof dort nicht anzutreffen.
    Am Abend zuvor war Meister Gunnulv nach Husaby gekommen, und früh am nächsten Morgen ging er mit Sira Eiliv in die Kirche zum Frühgesang. Als Kristin zur Kirche ging, lag der Tau grau wie ein Fell auf dem Gras, aber die Sonne vergoldete die Bäume oben am Berghang, und der Kuckuck schrie in den Wäldern - es sah aus, als sollte sie ein schönes Wanderwetter bekommen.
    Außer Erlend und seiner Frau und den Priestern im erleuchteten Chor war niemand in der Kirche. Erlend schaute auf Kristins nackte Füße. Eiskalt mußte es für sie sein, so auf dem Steinboden zu stehen. Sie sollte die acht Wegstunden nur von den Gebeten der Zurückbleibenden begleitet sein. Er bemühte sich, sein Herz zu Gott zu erheben, so, wie er es seit vielen Jahren nicht mehr getan hatte.
    Sie war in einen aschgrauen Kittel gekleidet, mit einem Strick um die Mitte. Darunter, so wußte er, trug sie nur ein Hemd aus grobem Rupfen. Ein straff gebundenes Friestuch verbarg ihr Haar.
    Als sie zur Kirche hinaustraten, in die Morgensonne, wartete
    eine Magd mit dem Kinde. Kristin setzte sich auf einen Baumstamm; den Rücken ihrem Manne zugewandt, saß sie da

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