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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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und ließ den Jungen sich noch einmal herzlich satt trinken, ehe sie sich auf den Weg machte. Erlend blieb bewegungslos stehen, ein Stück abseits - seine Wangen waren weiß und kalt vor Spannung.
    Die Priester kamen ein wenig später heraus - sie hatten erst ihre Meßgewänder in der Sakristei abgelegt. Sie blieben bei Kristin stehen. Sira Eiliv ging bald darauf zum Hof hinunter, Gunnulv jedoch half ihr das Kind gut und fest auf den Rücken binden. In einem Beutel, der ihr um den Hals hing, hatte sie den Goldkranz, Geld und ein wenig Brot und Salz. Sie nahm den Stock zur Hand, verneigte sich tief vor dem Priester und begann still den Weg nach Norden zu gehen, der zum Wald hinaufführte.
    Erlend blieb zurück - erschreckend weiß im Gesicht. Plötzlich fing er an zu laufen. Nördlich der Kirche waren ein paar Hügel mit einem mageren Grashang und mit abgefressenem Gestrüpp von Wacholder und Zwergbirken - hier pflegten die Ziegen zu weiden. Erlend lief hinauf; von dort aus konnte er sie noch ein kleines Stück weit sehen, ehe sie im Wald verschwand.
    Gunnulv folgte dem Bruder langsam nach. Der Priester schien so groß und dunkel in dem hellen Morgen. Er war sehr bleich, auch er.
    Erlend stand mit halboffenem Munde da, die Tränen rannen über seine weißen Wangen. Plötzlich stürzte er vornüber, in die Knie - dann warf er sich ausgestreckt in das kurze Gras, lag da und schluchzte und schluchzte und riß und zerrte mit seinen langen braunen Fingern an dem Heidekraut.
    Gunnulv stand unbeweglich. Er blickte auf den weinenden Mann hinab, sah hinüber zu dem Wald, wo das Weib verschwunden war.
    Erlend hob den Kopf ein wenig.
    „Gunnulv - war es notwendig, daß du ihr dieses auferlegtest? War es notwendig?“ fragte er wieder. „Hättest du sie nicht freisprechen können?“    ,
    Der andere gab keine Antwort; da fing Erlend wieder an.
    „Ich hatte doch gebeichtet und gebüßt, ich.“ Er setzte sich aufrecht. „Ich habe ihr dreißig Seelenmessen und eine Jahresmesse und ein Grab in geweihter Erde gekauft - ich habe die
    Sünde dem Bischof Helge gebeichtet und das Heilige Blut in Schwerin aufgesucht. Hätte nicht das Kristin ein wenig helfen können?“
    „Selbst wenn du dieses getan hast“, sagte der Priester still, „selbst wenn du Gott ein zerknirschtes Herz dargeboten und dich ganz mit ihm ausgesöhnt hast, so solltest du doch wohl begreifen, daß du noch Jahr und Tag danach streben mußt, die Spuren deiner Sünden hier auf Erden auszulöschen. Was du der zugefügt hast, die jetzt deine Gattin ist, indem du sie zuerst in ein unreines Leben und danach in Menschenmord hinabgezogen hast - das kannst nicht du für sie gutmachen, das kann allein Gott. Bete darum, daß er seine Hand über sie hält auf dieser Fahrt, wo du sie nicht begleiten und sie nicht beschützen kannst. Und solange ihr beide lebt, Bruder, vergiß es nicht, daß du dein Weib so von deinem Hof hast Weggehen sehen - mehr noch um deinetwillen als um ihrer eigenen Sünden willen.“
    Nach einer Weile sagte Erlend:
    „Ich hatte bei Gott und bei meinem christlichen Glauben geschworen, ehe ich ihr die Ehre nahm, daß ich nie eine andere Frau haben wollte, und sie versprach, nie einen anderen Mann zu nehmen, solange wir auf Erden leben. Du selbst hast gesagt, Gunnulv, daß dies vor Gott dem Bündnis einer Ehe gleichkäme; wer danach einen anderen heirate, lebe in Hurerei. Dann aber konnte es doch kein unreines Leben sein, wenn Kristin mir angehörte.“
    „Nicht, daß du mit ihr lebtest, war die Sünde“, sagte der Priester nach einiger Zeit. „Hätte es geschehen können, ohne dadurch das Recht eines anderen Menschen zu verletzen - aber du triebst sie ja in sündigen Aufruhr gegen alle, die Gott über dieses Kind gesetzt hatte - und zuletzt brachtest du Blutschuld über sie. Auch das sagte ich damals, als wir über diese Sache sprachen: deshalb hat die Kirche Gesetze über die Ehe aufgestellt und befohlen, daß jedes Paar aufgeboten werden soll und wir Priester nicht einen Mann und eine Jungfrau gegen den Willen der Sippen zusammengeben.“ Gunnulv setzte sich nieder, faltete die Hände über dem einen Knie und starrte über das sommerhelle Land hinaus, wo der kleine See auf dem Grund des Tales blau blinkte. „Du mußtest es doch selber wissen, Erlend, du hattest ein Stachelgestrüpp von Wildrosen und Dornen und Nesseln um dich gesät - konntest du
    da ein junges Mädchen zu dir hineinziehen, ohne daß sie sich blutige Wunden ins Fleisch

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