Kristin Lavranstochter 1
bereits das zweite Kind erwartete. Sie hatte geglaubt - wenn sie sich nicht frisch fühlte -, Erlend wäre so unbändig, es hätte soviel Unruhe und Trinkgelage daheim gegeben, und Naakkve sauge sie aus. Als sie das neue Leben in sich fühlte, war sie... Sie hatte sich so sehr auf den Winter gefreut, darauf, mit ihrem schönen, starken Mann die Stadt und die Täler zu besuchen, sie war ja selbst jung und schön. Sie hatte sich vorgenommen, den Knaben zum Herbst zu entwöhnen - es war zu mühsam, ihn und die Kindsmagd überallhin mitzunehmen. Sie war so sicher gewesen, daß Erlend in diesem Kriegszug gegen die Russen zeigen würde, wie er auch zu anderem taugte als nur dazu, seinen Namen und seine Güter zu vergeuden. Nein, sie hatte keine Freude empfunden, und sie hatte dies zu Sira Eiliv gesagt. Da wies der Priester sie sehr hart um ihrer lieblosen und weltlichen Gesinnung willen zurecht. Und den ganzen Sommer hindurch hatte sie danach gestrebt, froh zu sein und Gott für das neue Kind zu danken, das sie erwartete, und für die guten Nachrichten, die sie über Erlends kühne Fahrt im Norden erhielt.
Dann kehrte Erlend kurz vor der Mikalsmesse heim. Und sie hatte gemerkt, daß er nicht sehr erfreut war über das, was vor der Türe stand. Und am Abend hatte er es ausgesprochen:
„Ich glaubte, wenn ich dich einmal bekommen würde - so sollte es wie ein immerwährendes Weihnachtsgelage sein. Aber es hat den Anschein, als würden es beinahe nur lange Fasten.“
Sooft sie daran dachte, stieg ihr eine Blutwelle ins Gesicht, ebenso heiß wie an jenem Abend, da sie sich von ihm abwandte, dunkelrot und ohne Tränen. Erlend hatte versucht, mit Liebe und Güte den Eindruck seiner Worte zu verwischen. Aber sie konnte nicht darüber hinwegkommen. Jenes Feuer in ihr, das alle Reuetränen und alle Sündenangst nicht zu löschen und zu ersticken vermocht hatten - war gleichsam von Erlends Fuß zertreten worden, als er jene Worte aussprach.
Spät in der Nacht saßen sie daheim vor dem Kamin bei Gunnulv, er und Kristin und Orm. Eine Kanne mit Wein und einige kleine Becher standen am Rand der Feuerstätte. Meister Gunnulv hatte mehrere Male vorgeschlagen, die Gäste sollten sich nun zur Ruhe begeben. Aber Kristin bat, Sitzenbleiben zu dürfen.
„Entsinnst du dich, Schwager“, fragte sie, „ich erzählte dir einmal, daß unser Priester daheim mir riet, mich dem Kloster zu weihen, wenn der Vater nicht in eine Heirat zwischen Erlend und mir einwilligen würde.“
Gunnulv blickte unwillkürlich zu Orm hinüber. Aber Kristin sagte mit einem kleinen kranken Lächeln:
„Glaubst du, der erwachsene Bursche da weiß nicht, daß ich ein schwaches und sündiges Weib bin?“
Meister Gunnulv erwiderte leise:
„Fühltest du damals Drang zum Klosterleben in dir, Kristin?“
„Gott hätte meine Augen wohl öffnen können, wenn ich erst einmal in seinem Dienst gestanden hätte.“
„Vielleicht meinte er, deinen Augen täte es not, geöffnet zu werden, damit du verstehen lerntest, daß du in seinen Diensten stehen mußt, wo immer du auch bist. Gatte, Kinder und Gesinde auf Husaby bedürfen dessen wohl sehr, daß eine getreue und geduldige Dienerin Gottes unter ihnen ist und für ihr Wohl sorgt.
Sicherlich geht jene Jungfrau die beste Ehe ein, die sich Christus zum Bräutigam erwählt und sich nicht einem sündigen Manne hingibt. Aber ein Kind, das bereits Unrecht getan hat...“
„Ich wollte, daß du mit deinem Kranz zu Gott gekommen wärst“, flüsterte Kristin. „So sagte er zu mir, Bruder Edvin Rikardssohn, von dem ich dir schon oft gesprochen habe. Bist du der gleichen Meinung?“
Gunnulv Nikulaussohn nickte.
„Obgleich manch eine Frau sich mit solch einer Kraft aus dem Sündenleben emporgehoben hat, daß wir jetzt um ihre Fürbitte beten dürfen. Dies geschah früher öfters in der Welt, als die Märtyrerin mit harter Pein und Scheiterhaufen und glühenden Zangen bedroht wurde, wenn sie sich eine Christin nannte. Ich habe oft gedacht, Kristin, daß es damals leichter war, sich aus den Ketten der Sünde loszureißen, da es mit solch einem gewaltsamen Riß geschehen konnte. Trotzdem wir Menschen so verdorben sind - der Mut wohnt doch gar manchem von Natur aus in der Brust, und der Mut ist es meist, der eine Seele dazu treibt, Gott zu suchen. So haben also die Peinigungen wohl ebenso viele zur Treue geführt, wie sie andere zum Abfall trieben. Aber ein junges, irregeleitetes Kind, der Sündenlust entrissen, noch ehe es
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