Kristin Lavranstochter 1
Speck, oder eine Schüssel mit Renntierzungen in französischem Wein und Honig hinübergesandt hatte. Und er gab ihr Ratschläge für ihren Garten, verschaffte ihr Stecklinge von Tautra, wo sein Bruder Mönch war, und vom Olavskloster, dessen Prior sein guter Freund war. Und dann las er ihr vor und konnte soviel Schönes von dem Leben draußen in der Welt berichten.
Aber gerade daß er ein so guter und treugesinnter Mann war, machte es oft schwierig, mit ihm über das Böse zu sprechen, das sie in ihrem eigenen Herzen erblickte. Als sie ihm bekannte, welche Bitterkeit damals über Erlends Betragen mit Margret in ihr aufgestiegen war, hatte er ihr ans Herz gelegt, Nachsicht mit ihrem Gatten zu üben. Aber er schien doch zu meinen, daß Erlend allein sich vergangen habe, indem er seine Gattin so ungerecht anließ - und dies im Beisein von Fremden. Kristin
meinte dies wohl ebenfalls, auch sie. Aber zuinnerst in ihrem Herzen fühlte sie eine Mitschuld, über die sie sich nicht klarwerden konnte und die ihr tiefes Herzweh bereitete.
Kristin blickte zu dem Heiligenschrein auf, der mattgolden oben in dem Halbdunkel hinter dem Hochaltar schimmerte. Sie hatte es so bestimmt erwartet; wenn sie nun wiederum hier stünde, so würde abermals etwas geschehen - eine Erlösung in ihrem Gemüte. Wiederum würde eine lebendige Quelle in ihrem Herzen springen und all die Unruhe und Angst, Bitterkeit und Verwirrung, die es erfüllte, wegspülen.
Aber heute abend war da niemand, der Geduld und Nachsicht mit ihr hatte. Hast du noch nicht einmal das gelernt, Kristin - deine Selbstgerechtigkeit an das Licht der göttlichen Gerechtigkeit zu halten, deine heidnische und eigensüchtige Liebe an das Licht der Liebe? Du willst es ja nicht lernen, Kristin.
Aber das letztemal, als sie hier gekniet, da hatte sie Naakkve im Arm gehalten. Sein kleiner Mund an ihrer Brust wärmte so gut bis ins Herz hinein, es wurde wie weiches Wachs, ließ sich so leicht von der himmlischen Liebe formen. Sie hatte ja doch Naakkve, er lief daheim in der Halle umher, so lieblich und so süß, daß es ihr die Brust zersprengen wollte, wenn sie nur an ihn dachte. Sein weiches lockiges Haar begann jetzt dunkler zu werden - er wurde gewiß so schwarzhaarig wie sein Vater. Und er war so sprühend voller Leben und Munterkeit. Sie machte ihm Tiere aus alten Fellen, und er warf sie umher und sprang danach mit den jungen Hunden um die Wette. Dann endete es oft damit, daß der Fellbär auf die Feuerstätte fiel und verbrannte, mit Qualm und scheußlichem Gestank, und Naakkve stand da und heulte und schrie und stampfte und bohrte den Kopf in ihren Schoß - dort endeten noch alle seine Abenteuer. Die Mägde stritten sich um seine Gunst, die Männer hoben ihn auf und warfen ihn in die Luft, wenn sie in die Stube hereinkamen. Sah der Knabe Ulv Haldorssohn, dann lief er auf ihn zu und umklammerte die Beine des Mannes - Ulv hatte ihn manchmal mit auf die Weide hinausgenommen. Erlend schnippte für seinen Sohn mit den Fingern und setzte ihn einen Augenblick auf die Schulter - doch achtete der Vater von allen auf Husaby des Knaben am wenigsten. Obwohl er Naakkve wirklich liebte. Erlend war glücklich darüber, daß er jetzt zwei eheliche Söhne besaß.
Das Herz der Mutter krampfte sich zusammen.
Björgulv hatten sie ihr genommen. Er weinte, wenn sie ihn in den Armen halten wollte, und Frida legte ihn sofort wieder an ihre eigene Brust - die Pflegemutter wachte eifersüchtig über den Knaben. Aber das nächste Kind gab Kristin nicht her. Die Mutter und Erlend hatten gesagt, sie sollte jetzt geschont werden, und so hatten sie ihr den neugeborenen Sohn genommen und ihn einer anderen Frau gegeben. Es war fast, als fühle sie eine Art rachsüchtiger Freude bei dem Gedanken, wie damit nichts anderes erreicht worden war, als daß sie nun das dritte Kind erwarten durfte, noch ehe Björgulv volle elf Monate alt war.
Sie wagte nicht, mit Sira Eiliv darüber zu sprechen. Er würde wohl nur glauben, sie gräme sich darüber, daß ihr dies schon wieder bevorstehen sollte. Aber das war es nicht.
Von ihrer Wallfahrt war sie mit tiefem innerlichem Grauen zurückgekehrt - nie mehr sollte dieser wilde Sinn Macht über sie gewinnen. Den ganzen Sommer hatte sie allein mit ihrem Kind in der Altstube gesessen, hatte im Herzen die Worte des Erzbischofs und Gunnulvs Reden erwogen, war unermüdlich im Gebet und in der Buße gewesen, fleißig bei der Arbeit, um den vernachlässigten Hof wieder in die
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