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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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ganzen Kraft deiner Seele ..."
    Jäh wandte Kristin sich dem Schwager zu.
    „Du weißt nicht, wie lieb ich Erlend hatte. Und meine Kinder!“
    „Meine Schwester - alle andere Liebe ist nur wie die Spiegelung des Himmels in den Wasserpfützen eines schmutzigen Weges. Du wirst selbst beschmutzt, wenn du dich in sie vertiefen willst. Gedenkst du aber stets, daß es eine Spiegelung des Lichtes von jenem anderen Heim ist, dann wirst du dich des goldenen Anblicks freuen und dich wohl davor hüten, ihn zu zerstören, indem du den Schmutz aufwühlst, der auf dem Grunde liegt.“
    „Ja. Aber du bist Priester, Gunnulv, und hast Gott selbst gelobt, diese - Nöte - zu fliehen.“
    „Das hast auch du, Kristin, als du versprachst, den Teufel und sein Werk zu meiden. Des Teufels Werk ist jenes, das in süßer Lust beginnt und damit endet, daß zwei Menschen wie Schlangen und Nattern die Zähne ineinanderschlagen. Das lernte Eva, da sie ihrem Manne und ihrem Geschlecht Gottes Eigentum bringen wollte und ihnen nichts anderes brachte als Verbannung und Blutschuld und den Tod, der in die Welt kam, als der Bruder den Bruder tötete auf jenem ersten kleinen Acker, wo Dornen und Disteln auf den Steinhaufen rings um die dürftigen Erdflecke wucherten.“
    „Ja. Aber du bist Priester, du“, sagte sie wie vorher. „Dir ist nicht die tägliche Prüfung auferlegt, dich mit dem Willen eines anderen zu vereinen“, sie brach in Tränen aus, „geduldig zu sein ..."
    Der Priester sagte mit einem kleinen Lächeln:
    „In diesem Punkt herrscht Uneinigkeit zwischen Leib und Seele bei jedem Kind einer Mutter. Darum sind Weihe und Brautmesse eingesetzt, auf daß Mann und Weib eine Hilfe in ihrem Zusammenleben haben sollen, Eheleute und Eltern und Kinder und Hausgenossen als getreue und helfende Begleiter auf dem Weg zum Heim des Friedens.“
    Kristin antwortete leise:
    „Mich dünkt, es müsse leichter sein, zu wachen und zu beten für jene, die draußen in der Welt schlafen, als sich mit seinen eigenen Sünden abzumühen.“
    „So ist es“, sagte der Priester scharf. „Aber du glaubst doch wohl nicht, Kristin, daß auch nur ein gottgeweihter Mann gelebt hat, der nicht gezwungen war, sich selbst gegen den Feind zu wehren, zur gleichen Zeit, da er auch versuchen mußte, das Lamm gegen den Wolf zu schützen.“
    Kristin sagte leise und scheu:
    „Ich hatte geglaubt - daß die, so zwischen Heiligtümern leben und über alle starken Bitten und Gebete verfügen ..."
    Gunnulv beugte sich vor, machte sich mit dem Feuer zu schaffen und blieb dann, die Ellbogen auf die Knie gestützt, so sitzen.
    „In diesen Tagen sind es sechs Jahre, seit wir nach Rom kamen, Eiliv und ich und zwei schottische Priester, mit denen wir in Avignon bekannt geworden waren. Wir hatten den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt.
    Kurz vor Beginn der Fastenzeit kamen wir in die Stadt. Da hält das Volk in den südlichen Ländern große Feste und Gastgelage ab - sie nennen es carne vale. Da fließt der Wein in den Gasthäusern, roter und weißer, in Strömen, und das Volk tanzt in den Nächten unter freiem Himmel, auf den offenen Plätzen brennen Fackeln und Scheiterhaufen. Um diese Zeit ist Frühling in Italia, und die Blumen sprießen hervor auf Wiesen und in Gärten, und die Frauen schmücken sich damit und werfen Rosen und Veilchen auf die Leute in den Straßen hinab - sie sitzen oben an den Fenstern, haben seidene Decken und kostbare ausländische Stoffe über die Steinmauern hinausgehängt. Denn dort unten sind alle Häuser aus Stein, und die Ritter haben ihre Burgen und festen Häuser mitten in der Stadt. Dort in jener Stadt gibt es wohl kein Stadtgesetz oder ein Gesetz über den Stadtfrieden - denn sie und ihre Dienst-knechte kämpfen miteinander in den Straßen, daß das Blut rinnt.
    In der Gasse, darin wir wohnten, lag ein solches Kastell, und dessen Herr hieß Ermes Malavolti. Dieses Gebäude beschattete die ganze enge Gasse, in der unsere Herberge lag, und unser Gemach war finster und kalt wie das Gefängnisloch einer steinernen Burg. Oft, wenn wir ausgingen, mußten wir uns an die Mauer drücken, während er mit Silberglocken an den Kleidern und mit einem ganzen Gefolge von Bewaffneten hindurchritt, daß Schlamm und Unrat unter den Hufen aufspritzten, denn in jenem Lande wirft das Volk allen Dreck und Schmutz einfach vor die Türen. Die Straßen sind kalt und finster und eng wie Bergschluchten - haben wenig Ähnlichkeit mit den grünen Straßen in unseren Städten.

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