Kristin Lavranstochter 1
Ulv leise. „So daß Lavrans im Herbst mit heraufreist, wenn deine Mutter zu dir kommen soll?“
„Ich habe nicht vorgehabt, meiner Mutter im Herbst die Mühe zu machen. Sie wird allmählich alt - und es geschieht allzuoft, daß meine schwere Stunde kommt, ich kann sie nicht jedesmal bitten, mir zu helfen“, sie lächelte ein wenig gezwungen.
„Tu es diesmal“, antwortete Ulv. „Und bitte deinen Vater, mitzukommen - damit du ihn in diesen Dingen um Rat fragen kannst.“
„Ich will meinen Vater nicht in diesen Dingen um Rat bitten“, sagte sie still und fest.
„Und Gunnulv?“ fragte Ulv nach einer Weile. „Kannst du nicht mit ihm sprechen?“
„Es ziemt sich nicht, ihn jetzt mit solchen Dingen zu beunruhigen“, entgegnete Kristin wie zuvor.
„Meinst du, weil er ins Kloster gegangen ist?“ Ulv lachte spöttisch. „Nie habe ich bemerkt, daß die Mönche sich weniger darauf verstehen, mit Besitztümern zu schalten, als andere Leute. - Wenn du dir nirgends Rat holen willst, Kristin, dann mußt du selbst mit Erlend sprechen“, sagte er, als sie nicht antwortete. „Denke an deine Söhne, Kristin!“ Kristin saß lange still da.
„Du, Ulv, der du so gut zu unseren Kindern bist“, sagte sie schließlich. „Mir wollte es vernünftiger scheinen, wenn du heiratetest und für deine eigenen Sachen sorgen könntest, als daß du hier umhergehst und dich - mit Erlends - und meinen Schwierigkeiten - plagst.“
Ulv wandte sich der Frau zu. Er hielt mit den Händen die Tischkante hinter sich umklammert und sah Kristin Lavranstochter an. Noch war sie gleich rank und schlank und schön wie immer, wie sie dort saß. Ihr Gewand war aus selbstgefärbtem dunklem Wollstoff, um ihr stilles bleiches Antlitz jedoch lag ein feines weiches Linnen. Der Gürtel mit dem Schlüsselbund war mit kleinen Silberrosen besetzt. Auf der Brust glitzerten die beiden Ketten mit den zwei Kreuzen daran. Das größere, an einer vergoldeten Kette, die beinahe bis zum Gürtel reichte, hatte sie von ihrem Vater erhalten. Darüber lag die dünne silberne Kette mit dem kleinen Kreuz, das Orm der Stiefmutter hatte geben lassen mit der Bitte, sie möchte es stets tragen.
Immer noch war sie aus jedem Kindbett gleich schön aufgestanden - nur ein wenig stiller, mit etwas schwererer Verantwortung auf den jungen Schultern. Die Wangen ein wenig schmaler, die Augen ein wenig dunkler und ernsthafter unter der breiten weißen Stirn, der Mund etwas weniger rot und voll. Aber wenn es so weiterging, würde sie ihren Liebreiz wohl verloren haben, noch bevor viele Jahre vergangen waren.
„Dünkt es dich nicht, Ulv, du hättest es schöner, wenn du dich auf deinem eigenen Hof niederließest?“ fing sie wieder an. „Du hast noch weiteres Land in Skjoldvirkstad dazugekauft, hat mir Erlend erzählt - du besitzest bald den halben Hof. Und Isak hat nur das eine Kind - Aase ist schön und auch freundlich, eine tüchtige Frau, und sie scheint dich gern zu mögen.“ „Trotzdem will ich sie nicht haben, wenn ich sie heiraten soll“, der Mann grinste roh und lachte dazu. „Im übrigen ist Aase Isakstochter zu gut, um ...“ Seine Stimme schlug um. „Ich habe nie einen anderen Vater gekannt als einen Pflegevater, Kristin, und ich glaube, es ist mir so bestimmt, daß ich auch keine anderen Kinder als Pflegekinder bekommen soll.“
„Da will ich zur Jungfrau Maria beten, daß du ein besseres Glück finden mögest, Verwandter.“
„Ich bin auch nicht mehr so jung. Fünfunddreißig Winter, Kristin“, er lachte. „Es fehlt nicht viel, daß ich dein Vater sein könnte.“
„Da müßtest du schon sündhaft früh angefangen haben“, antwortete Kristin, sie bemühte sich, leicht und heiter zu sprechen.
„Willst du dich jetzt nicht schlafen legen?“ fragte Ulv gleich darauf.
„Doch, bald, aber du bist wohl müde, Ulv - du solltest zur Ruhe gehen.“
Der Mann wünschte still gute Nacht und ging hinaus.
Kristin nahm den Kerzenhalter vom Tisch und beleuchtete die beiden schlafenden Knaben in dem Schrankbett. Björgulvs Augen waren nicht verklebt - Gott sei gedankt dafür. Das Wetter war jetzt eine Zeitlang gut gewesen. Sobald der Wind ein wenig schärfer blies oder das Wetter so schlecht war, daß die Kinder in der Stube beim Feuer bleiben mußten, bekam er tränende Augen. Lange stand sie da und betrachtete die beiden Kinder. Dann beugte sie sich über Gaute in der Wiege.
Sie waren so frisch wie junge Vögel gewesen, alle ihre drei kleinen Söhne - bis
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