Kristin Lavranstochter 1
diese Seuche im vergangenen Sommer in die Täler kam. Das Scharlachfieber - es raffte die Kinder rings auf den Höfen um den Fjord dahin, daß es ein Jammer war, es zu hören und zu erfahren. Kristin hatte alle ihre Kinder behalten dürfen - alle ihre eigenen ...
Fünf Tage und Nächte lang hatte sie beim Bett an der Südwand gesessen, wo sie alle drei lagen, mit roten Flecken am ganzen Körper und kranken, lichtscheuen Augen - die kleinen Leiber glühend heiß. Sie saß da, die Hände unter der Decke, und klopfte Björgulv auf die Fußsohlen, während sie sang und sang, bis ihre kleine Stimme nur noch ein heiseres Flüstern war.
„Ritters, Ritters, Ritters Pferd ist das beste Eisen wert unterm hohen, hohen Huf.
Und des Herzogs, Herzogs Pferd ist das hellste Silber wert unterm hohen, hohen Huf.
Aber gar des Königs Pferd, schieres Gold nur ist es wert unterm rosenhellen Huf.“
Björgulv war am leichtesten erkrankt, hielt sich aber am unruhigsten. Hörte sie auch nur eine kurze Weile zu singen auf, so wollte er sofort die Bettdecke abwerfen. Gaute - erst zehn Monate alt - war so elend daran, daß sie glaubte, er könne nicht weiterleben. Er lag an ihrer Brust, in Decken und Felle eingehüllt, und hatte nicht Kraft genug, zu trinken. Sie hielt ihn auf dem einen Arm, und mit der anderen klopfte sie Björgulvs Fußsohlen.
Dann und wann, wenn es sich so traf, daß sie alle drei kurze Zeit schliefen, legte Kristin sich zu ihnen auf den Bettrand, in allen Kleidern. Erlend kam und ging und betrachtete seine drei kleinen Söhne mit ratlosen Blicken. Er versuchte ihnen vorzusingen, aber sie machten sich nichts aus der schönen
Stimme des Vaters - die Mutter sollte singen, obwohl sie keine Singstimme hatte.
Die Dienerinnen kamen und redeten der Herrin zu, sie solle sich schonen, die Männer erkundigten sich, Orm versuchte den kleinen Brüdern etwas vorzuspielen. Seine Tochter hatte ErIend auf Kristins Rat ins Östertal gesandt, aber Orm wollte auf Husaby bleiben - er war ja jetzt auch erwachsen. Sira Eiliv saß am Bett der Kinder, wenn er nicht unterwegs bei Kranken war. Der Priester sorgte und kümmerte sich seine ganze Wohlbeleibtheit herunter, die er sich auf Husaby zugelegt hatte - es packte ihn hart an, so viele schöne Kinder sterben zu sehen. Auch einige Erwachsene starben.
Dann eines Abends waren alle Kinder so viel besser, daß Kristin ihrem Gatten versprach, diese Nacht die Kleider abzulegen und zu Bett zu gehen - Erlend erbot sich, zusammen mit den Mägden zu wachen und sie zu rufen, wenn es notwendig sein sollte. Aber bei der Abendmahlzeit sah sie, daß Orm einen flammendroten Kopf hatte - seine Augen leuchteten im Fieber. Er sagte, es sei nichts - aber plötzlich fuhr er auf und lief hinaus. Als Erlend und Kristin ihm nachgingen, stand er auf dem Hofplatz und erbrach sich. Erlend umschlang den Knaben.
„Orm, mein Sohn - bist du krank?“
„Mein Kopf schmerzt mich so sehr“, klagte der Knabe und ließ das Haupt schwer auf die Schulter des Vaters sinken.
So wachten sie denn die Nacht hindurch bei Orm. Fast die ganze Zeit lag er da und redete irr - schrie laut und schlug mit den langen Armen um sich, als sähe er furchtbare Dinge. Was er sagte, konnten sie nicht verstehen.
Am Morgen brach Kristin zusammen. Es zeigte sich, daß sie wieder in der Hoffnung gewesen war, nun ging es ihr sehr schlecht, und eine Zeitlang lag sie fast wie in Todesschlaf versunken da, und danach wurde sie von einem schweren Fieber befallen. Orm hatte über zwei Wochen im Grabe gelegen, ehe sie etwas vom Tod des Stiefsohnes erfuhr.
Da war Kristin so schwach, daß sie nicht einmal richtige Trauer empfinden konnte. Sie war so blutlos und matt, daß nichts ihr naheging - und fand es gut, dazuliegen und nur mit halbem Bewußtsein zu leben. Sie hatte eine entsetzliche Zeit hinter sich, in der die Frauen kaum wagten, sie zu berühren, zu pflegen und rein zu halten - aber in der Fieberverwirrung verschwamm dies alles für sic. Jetzt tat es gut, die
Pflege zu genießen. Rings um ihr Bett hingen viele duftende Kränze aus Bergblumen, zur Abwehr gegen die Fliegen - die Leute hatten sie von den Almen herabgesandt, und wenn Regen zu erwarten war, rochen die Blumen besonders süß. Eines Tages brachte Erlend die Kinder zu ihr - Kristin sah, wie sehr die Seuche ihnen zugesetzt hatte und daß Gaute die Mutter nicht wiedererkannte, aber selbst das schmerzte noch nicht. Sie fühlte nur stets Erlends Nähe.
Er ging jeden Tag zur Messe und
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