Kristin Lavranstochter 1
kniete bei Orms Grab und betete. Der Friedhof war bei der Pfarrkirche auf Vinjar, aber einige kleine Kinder des Geschlechts waren in der Kirche auf Husaby beigesetzt - zwei Brüder Erlends und eine kleine Tochter von Munan Bischofssohn. Kristin hatte es oft leid getan um diese Kleinen, die so ganz allein unter den Steinfliesen lagen. Jetzt hatte Orm Erlendssohn seine letzte Ruhestätte zwischen diesen Kindern gefunden.
In jener Zeit, in der man für Kristins Leben bangte, kamen die Bettlerscharen, die zum Olavstag nach Nidaros wanderten, durch die Gemeinde gezogen. Es waren fast jedes Jahr die gleichen Weiber und Männer. Die Menschen waren stets freigebig gegen die Armen, da deren Fürbitten besonders kräftig sein sollten. Und die Bettler hatten sich im Lauf der Jahre, seit Kristin auf Husaby lebte, zur Gewohnheit gemacht, nach Skaun herüberzukommen - sie wußten, sie bekamen auf diesem Hof ein Nachtlager, reichlich zu essen und Almosen, ehe sie weiterzogen. Jetzt wollte das Gesinde die Armen abweisen, weil die Herrin krank lag. Als aber Erlend, der die beiden letzten Sommer im Norden gewesen war, erfuhr, daß seine Frau die Bettler so liebevoll aufzunehmen pflegte, befahl er, man solle sie alle beherbergen und so bewirten, wie Kristin es getan hatte. Und am Morgen begab er sich selbst unter die Schar, half einschenken und ihnen das Essen herbeitragen, gab ihnen selbst Almosenspenden und bat sanftmütig um ihre Fürbitte für sein Weib. Viele von den Bettlern weinten, als sie hörten, daß die sanfte junge Frau auf den Tod krank lag.
Dies hatte Sira Eiliv ihr erzählt, als sie frischer wurde. Erst gegen Weihnachten war sie so weit gekräftigt, daß sie selbst wieder ihre Schlüssel an sich nehmen konnte.
Als Kristin krank geworden war, hatte Erlend sogleich ihren Eltern Nachricht gesandt. Lavrans und Ragnfrid waren jedoch um jene Zeit südlich im Lande bei einer Hochzeit auf Skog.
Später kamen sie nach Husaby; da ging es Kristin schon besser, aber sie war so müde, daß sie nicht viel mit ihnen zu sprechen vermochte. Am liebsten war es ihr nur immer, Erlend an ihrem Bett zu haben.
Schwach und leicht fröstelnd und blutarm, schmiegte sie sich an seinen gesunden Körper. Das alte Feuer im Blut war verschwunden, so sehr verschwunden, daß sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, wie es war, so zu lieben; aber mit diesem Feuer waren auch die Unruhe und Bitterkeit der letzten Jahre verschwunden. Es dünkte sie, jetzt habe sie es gut. Obwohl die Trauer um Orm schwer auf ihnen beiden lag und Erlend nicht begriff, wie sehr sie für den kleinen Gaute fürchtete, ging es ihr doch jetzt so gut bei ihm. Er hatte solche Angst gehabt, sie zu verlieren, dies war ihr klargeworden.
Schwierig und schmerzlich war es da, jetzt mit ihm sprechen zu sollen - an etwas zu rühren, was den Frieden und die Freude zwischen ihnen stören könnte.
Sie stand in der hellen Sommernacht vor der Tür zum Wohnhaus, als die Leute vom Tanz heimkehrten. Margret hing am Arm des Vaters. Sie war so reich geschmückt und angetan, daß es besser zu einer Hochzeit getaugt hätte als zu einem Tanz auf der Wiese, wo alle möglichen Leute zusammentrafen. Aber die Stiefmutter hatte völlig aufgehört, sich in die Erziehung des Mädchens einzumischen. Erlend sollte mit seiner eigenen Tochter tun und lassen, was er wollte.
Sie waren durstig, Erlend und Margret, und Kristin holte Bier für sie. Das Mädchen saß da und erzählte, sie und die Stiefmutter waren jetzt gute Freunde, da diese nicht mehr versuchte, sie zu belehren. Erlend lachte über alles, was die Tochter vom Tanz erzählte. Endlich aber begaben sich Margret und ihre Magd in den Dachraum hinauf, um schlafen zu gehen.
Der Mann fuhr fort, in der Stube auf und ab zu wandern -er dehnte sich, gähnte, sagte jedoch, er sei nicht müde. Mit den Fingern durch sein langes schwarzes Haar streichend, sagte er:
„Es war keine Zeit dazu, als wir aus der Badestube kamen, wegen dieses Tanzes - ich meine, du solltest mir jetzt das Haar schneiden, Kristin, so kann ich doch am Sonntag nicht umhergehen.“
Kristin wandte ein, es sei doch dunkel, aber Erlend lachte und deutete zum Rauchloch hinauf; es war schon bald wieder Tag. Da zündete sie das Licht noch einmal an, hieß ihn sich setzen und legte ein Tuch um seine Schultern. Während sie schnitt, rückte er hin und her, kitzelig, und lachte, wenn die Schere seinem Halse nahe kam.
Sorgfältig las sie die abgeschnittenen Haare auf und verbrannte sie auf
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