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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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der Feuerstätte, schüttelte auch das Tuch über den Flammen aus. Dann kämmte sie Erlends Haar glatt zurück und schnippte da und dort, wo die Kante nicht ganz gleichmäßig war, mit der Schere etwas weg.
    Erlend ergriff ihre Hände, wie sie so hinter ihm stand, legte sie um seinen Hals und blickte mit lächelndem, zurückgebogenem Antlitz zu ihr auf.
    „Du bist müde“, sagte er dann, ließ sie los und erhob sich mit einem kleinen Seufzer.
    Erlend segelte gleich nach Mittsommer nach Björgvin. Er war sehr ungehalten darüber, daß seine Frau wieder nicht imstande war, mit ihm zu reisen - sie lächelte müde: sie hätte ja trotzdem nicht von Gaute Weggehen können.
    So saß Kristin auch diesen Sommer allein auf Husaby. Nur gut, daß sie dieses Jahr das Kind nicht vor der Matthiasmesse (21. September) erwartete; es verursachte so viele Ungelegenheiten für sie und auch für die Frauen, die bei ihr sein sollten, wenn diese Tage gerade in die Erntezeit fielen.
    Kristin fragte sich, ob das nun beständig so weitergehen sollte. Die Zeiten waren jetzt anders als in ihrer Jugend. Vom Dänenkrieg hatte sie ihren Vater erzählen hören, und sie erinnerte sich der Zeit, da er von daheim weg war, um dem Heereszug gegen Herzog Eirik zu folgen. Von jenem Krieg hatte er die großen Narben auf dem Körper heimgebracht. Aber zu Hause in den Tälern war trotzdem alles gleichsam so weit vom Krieg entfernt - dorthin würde der Krieg wohl nie mehr kommen, das dachten gewiß alle. Die meiste Zeit war Frieden, und der Vater lebte daheim, verwaltete seine Besitztümer, dachte und sorgte für sie alle.
    Jetzt herrschte stets Unruhe - alle redeten von Unfrieden und Aufgebot und Reichsverwaltung. In Kristins Kopf vermischte sich das alles mit dem Bild von der Küste und vom Meer, das sie jenes einzige Mal gesehen hatte, als sie nach dem Norden heraufgezogen war. Von der Küste kamen sie und nach der Küste fuhren sie, geistliche und weltliche Herren, den Kopf voller Absichten, Pläne, Gegenpläne und Überle-gungen. Seiner hohen Geburt und seinem Reichtum nach gehörte auch Erlend zu ihnen. Aber sie fühlte, daß er so halb und halb außerhalb dieses Kreises stand.
    Kristin grübelte und dachte darüber nach, was die Ursache für diese Stellung ihres Gatten sein mochte. Wofür nahmen ihn eigentlich seine Standesgenossen?
    Als er nur der Mann war, den sie liebte, hatte sie nie nach solchen Dingen gefragt. Wohl hatte sie gesehen, daß er jäh und heftig und unbedachtsam war und eine besondere Gabe hatte, sich unklug zu verhalten. Aber damals hatte sie für alles eine Entschuldigung gewußt, hatte sich nie mit der Frage beschäftigt, was seine Sinnesart wohl einmal über sie beide bringen könnte. Wenn sie einander erst heiraten durften, würde alles anders werden - so hatte sie sich getröstet. Bisweilen dämmerte es ihr selbst, daß sie seit jener Stunde zu denken angefangen hatte, da sie begriff: sie hatten einem Kinde das Leben gegeben. Wieso war Erlend, den die Leute leichtsinnig und unklug nannten, ein Mann, auf den sich niemand verlassen konnte?
    Sie hätte sich auf ihn verlassen. Sie dachte an den Dachraum in Brynhilds Haus, sie erinnerte sich, wie das Band zwischen ihm und der anderen schließlich zerrissen wurde. Sie gedachte seines Verhaltens zu jener Zeit, da sie seine Anverlobte geworden war. Aber er hatte an ihr festgehalten, allen Demütigungen und abschlägigen Antworten zum Trotz; sie hatte gesehen, er wollte sie auch nicht um alles Gold der Erde verlieren.
    Sie mußte an Haftor auf Godöy denken. Der hatte sie stets mit Dummheiten und Schmeicheleien verfolgt, wenn sie zusammentrafen, und sie hatte sich nie darum bekümmert. Es war wohl nur seine Art zu scherzen. Sie konnte es auch jetzt nicht anders glauben; sie hatte den munteren schönen Mann gerne gemocht - ja sie mochte ihn jetzt noch. Aber daß jemand so etwas nur als Scherz nehmen konnte - nein, das begriff sie nicht.
    Sie hatte Haftor Graut bei den Königsfestlichkeiten in Nidaros wiedergetroffen, und er hatte sich auch hier stets in ihrer Nähe gehalten, wie er immer zu tun pflegte. Eines Abends gelang es ihm, sie mit sich in einen Dachraum zu ziehen, und sie legte sich mit ihm auf ein Bett, das dort stand. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß sie in ihrer Heimat so etwas getan hätte -dort war es nicht Brauch bei den Festgelagen, daß Männer und Frauen sich so zu zweit absonderten. Hier aber taten es alle, niemand schien es unziemlich zu finden - es sollte wohl

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